Prinzessin (2021)

Prinzessin (2021)

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  2. 101 Minuten

Filmkritik: I'll be there for you!

17. Zurich Film Festival 2021
«Dort oben wohne ich.»
«Dort oben wohne ich.» © Cineworx

Josef (Fabian Krüger) ist alkoholabhängig. Er lebt im von den Eltern geerbten Haus, trinkt den lieben langen Tag und trifft sich mit anderen alkoholabhängigen im Park. Sein Leben ist ihm längst entglitten. Es tritt eine Veränderung ein, als seine Halbschwester Karin (Anne Haug) mit ihrer vier Jahre alten Tochter Nina (Lia Hahne) ins Haus einzieht, da Josef das Haus weder verkaufen noch ausziehen möchte. Langsam lernen sich die kleine Nina und Josef besser kennen. Es entwickelt sich eine wahre Freundschaft zwischen dem Onkel und seiner Nichte, was auch der arbeitstätigen Karin entgegen kommt. Ein Zwischenfall, bei dem Josef betrunken war und durch den Nina verletzt wurde, kappt die Beziehung zwischen den beiden. Josef verspricht jedoch Nina, er sei immer für sie da.

Er beginnt sein Leben radikal zu verändern. Jahrzehnte später erfährt Josef (Matthias Habich) bei der Beerdigung von Karin, dass Nina (Johanna Bantzer) drogenabhängig wurde, zu dealen begann und in einem Gefängnis in der Ukraine festsitzen soll. Josef erinnert sich an sein Versprechen und die Wirkung, welche die kleine Nina damals auf ihn hatte. Er plant, sein altes Versprechen in die Tat umzusetzen und Nina zu helfen.

Prinzessin beginnt mit einer bärenstarken Performance und baut nach und nach eine unglaublich dichte Atmosphäre auf. Der erste Storyteil wird berührend erzählt und dürfte noch viel länger andauern. Dann aber folgt ein Cut und unterbricht jäh die Ereignisse. Der zweite Teil spielt Jahrzehnte später und vermag nicht zu überzeugen: Er wirkt zufällig und baut keine richtige Verbindung zwischen den Charakteren mehr auf. Schade, dass Prinzessin so sein gesamtes Potenzial verspielt.

Prinzessin ist ein schweizerisch-ukrainisches Drama von Peter Luisi. Dieser zeichnete zuvor unter anderem bereits für die lustige Komödie Flitzer verantwortlich und nimmt sich nun einer erdrückenden Thematik an. In Prinzessin widmet er sich der Familienstruktur von Menschen, deren Leben wider der gängigen, gesellschaftlichen Erwartungen verläuft. Dabei tauchen Themen wie Suchterkrankung oder das alleinige Aufziehen eines Kindes auf und es werden politische und gesellschaftliche Defizite im Bezug auf den Umgang mit den Betroffenen in den Fokus gerückt.

Der erste Teil des Films spielt um 1985 und vollzieht den wunderbar harmonierenden Beziehungsaufbau zwischen Nina (als Vierjährige) und ihrem Onkel Josef nach. Durchaus kritisch hinterfragend (primär durch die Rolle der sorgsamen, aber doch vielbeschäftigten Mutter von Nina), zeigt der Film auf, dass ein alkoholkranker Mensch trotz allen Bemühungen Hilfe braucht und ihm nicht die Verantwortung für ein Kleinkind übertragen werden kann.

Dabei gelingt es ihm, nicht anschuldigend und durch eine unheimlich einfühlsame Art und Weise diese Beziehung aufblühen zu lassen, sodass beim Zusehen die Schwierigkeiten von Josef, aber auch diejenigen von Karin beinahe in Vergessenheit geraten. Zwischen Onkel und Nichte entsteht eine berührende, jedoch stets äusserst fragile Harmonie, welche durch Josefs schweren Alkoholkonsum stets zu zerbrechen droht. Diese erste Hälfte überzeugt durch ihre Bildsprache, eine wunderbare Atmosphäre und durch eine fantastische Lia Hahn und einen starken, authentisch wirkenden Fabian Krüger.

Der zweite Akt spielt Jahrzehnte später. Josef lebt in einer betreuten Alterssiedlung, Ninas Spuren verloren sich nach Jahren des Drogenkonsums und -dealens in der Ukraine. Um es bereits vorwegzunehmen: Die anfangs aufgebaute atmosphärische Dichte und Grundstimmung ist schnell dahin. Das erbaute Konstrukt fällt in sich zusammen und versucht mit einer Rückführungs-Aktion zu punkten.

Dabei wird kaum ein Klischee ausgelassen, von der wenig reflektierten Familie Ninas, über Vodka trinkende ukrainische Drogendealer, bis hin zu einem Gefängnis-Verlies mit bestechlichen Wachen: Alles wirkt zusammengeschustert und konstruiert. Die Story wird zur krampfhaften Vollendung des Versprechens von Josef an Nina, immer für sie da zu sein.

Dass durch Ereignisse ein Umdenken in seinem Leben stattgefunden hat und sich sein Leben stark veränderte, ist durchaus möglich. Die Reihe an Zufällen und Ereignissen auf der Suche nach Nina jedoch wirken unrealistisch und zusammengewurstelt; es wird versucht, Dramatik um jeden Preis zu bewirken. Das Zusehen fällt mit zunehmender Laufzeit schwerer und leider kann Prinzessin nicht die Intensität der ersten Hälfte halten und wird somit auch nicht zu einer Art zweiten Platzspitzbabys.

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

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Kommentare Total: 4

doggy-stile

Hat mir sehr gut gefallen!

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Vorneweg - ich finden den Film an sich sehenswert.

Der erste Teil ist schön gemacht, bewegt und nimmt einem voll mit. Auch wenn die Suchtthematik eher etwas schön gezeichnet wird, leidet man als Zuschauer mit.

Im zweiten Teil des Films stört dann einiges. Dieser Teil will nicht mehr so recht zum Anfang passen. Es scheint so, als hätten sich zwei Produzenten zusammengetan, bei denen einer das Drama eines alkoholkranken Mannes und der andere eines einer drogensüchtigen Frau verfilmen wollten. Am Ende haben sie als Kompromiss beide Stories in einen Film gepackt.

Schade. Der erste Teil ist sehr gut und ich hätte mir gewünscht, mehr über diesen Handlungsstrang zu erfahren. Ein Zeitsprung von ein paar Jahren hätte auch etwas Dynamik bringen können, aber so wie im Film ist es einfach zu viel.

Fazit: Sehr starker erster Teil, weniger überzeugender und unnötiger zweiter Teil.

Technisch gesehen und von den Schauspielleistungen war es solide.

Dorisweiss

Habe ihn an der Premiere am Zürcher Filmfestival gesehen. Hat mir wirklich gut gefallen. Sehr berührend mit grossartigen Schauspielern. Allen voran das Mädchen hat sehr gut gespielt.

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Trailer Deutsch, 02:10