Kinder können grausam sein zueinander. Intrigen, Manipulationen und körperliche wie seelische Grausamkeiten sind wohl auf so manchem Pausenplatz an der Tagesordnung; und die Erwachsenen kriegen davon meist nichts mit, oder wenn doch, sind sie völlig hilflos. Un monde nimmt den brodelnden Krisenherd Pausenplatz als Szenerie für eine Bruder-Schwester-Geschichte, die es in sich hat.
Regisseurin Laura Wandel vermeidet dabei den Fehler, zu viel erklären zu wollen. Und das, obwohl es durchaus Fragen gäbe; beispielsweise wieso die beiden Geschwister anfänglich so eine enge Beziehung haben, weshalb der Vater nicht arbeitet oder warum Nora dermassen abweisend ist gegenüber ihren Mitschülerinnen. Man hätte dies alles mit einer üppigen Backgroundstory ausschmücken können, aber das hätte diesen Film schwer und träge gemacht.
Ausserdem ist dieser Entscheid auch dramaturgisch konsequent. Denn der Film ist vollständig aus Sicht der Kinder erzählt. Und die haben bekanntlich meistens auch keine Backgroundstory präsent. Die Sicht der Kinder wird auch optisch umgesetzt. So bewegen sich die Handkamera-Aufnahmen auf deren Augenhöhe, während von Erwachsenen meist nur der Unterkörper zu sehen ist. Nur wenn sie sich auf dieselbe Höhe wie die Kinder begeben, erkennt man ihre Gesichter. Durch diese Kinderperspektive ist das Publikum emotional enorm nahe am Geschehen. Sich zu distanzieren fällt da schwer.
Natürlich erfordert diese Art der Inszenierung auch Kinderdarstellerinnen und -darsteller, welche solch anspruchsvolle Rollen tragen können. Und da sind Maya Vanderbeque als Nora und Günter Duret als Abel schlicht grossartig. Sie scheinen ihre Charaktere nicht zu spielen, sondern zu leben. Während der kurzen Spielzeit von etwas mehr als einer Stunde gelingt es ihnen, die unterschiedlichsten Facetten ihrer Charaktere zu verkörpern und dabei auch deren subtilen Wandlungen darzustellen.
Denn gerade diese Wandlungen machen den Film interessant. Wie der vergötterte Bruder plötzlich zum Opfer wird und sich die beiden Geschwister langsam voneinander entfernen, das ist hervorragend beobachtet und sensibel in Szene gesetzt. Mit Un monde gibt die 36-jährige Laura Wandel ein richtig, richtig starkes Regiedebüt und empfiehlt sich für weitere Filme.