Olivia Colman, Dakota Johnson, Ed Harris, Paul Mescal, Jessie Buckley und Peter Sarsgaard - für ihr Regiedebüt hat Schauspielerin Maggie Gyllenhaal (u.a. Crazy Heart, The Dark Knight) einen beeindruckenden Cast zusammengetrommelt. Dabei gehört Oscar-Gewinnerin Colman die Show. Was mit dem missglückten Urlaub einer Endvierzigerin beginnt, entwickelt sich zu einem psychologischen Drama, das sich um die schwierigen Seiten des Mutterseins dreht und Tabus aufbricht. Gyllenhaal, die auch das Drehbuch schrieb, verwebt dabei gekonnt Ledas Vergangenheit mit der Gegenwart. Ein gelungenes Debüt, das Lust auf mehr von der Regisseurin macht.
Basierend auf dem Roman «Frau im Dunkeln» von Elena Ferrante, spürt The Lost Daughter dem Thema Muttersein nach und zeigt, wie stark Ideal und Realität auseinanderklaffen können. Mit Leda und Nina entwirft Maggie Gyllenhaal zwei Frauenfiguren, die genau an diesem Punkt zu scheitern drohen. Schicht für Schicht offenbart die Regisseurin dabei die Vergangenheit ihrer Protagonistin. In Rückblenden zeigt sich, warum Leda so fixiert auf Nina und deren Tochter Elena ist.
Während der jungen Leda (in Flashbacks gespielt von Jessie Buckley) die Rolle als Mutter zunehmend über den Kopf wächst, wird sie später nicht nur von ihrer Vergangenheit, sondern auch von ihren Mitmenschen geplagt. Ob es die Familie am Strand ist oder laute Jugendliche im Kino sind, die Leda den Filmabend verderben. Diese kleinen Momente, in denen ihr der Urlaub gestört wird, sind teilweise witzig, teilweise schmerzvoll inszeniert und Ledas Reaktionen oft unerwartet.
Als Ninas Schwägerin Callie (Dagmara Dominczyk) sie darum bittet, am Strand ein Stück aufzurücken, weigert Leda sich. Als Callie Leda später sogar ein Friedensangebot in Form eines Stück Kuchens macht, reagiert diese mit passiv-aggressiven Kommentaren. Allein Nina - Dakota Johnson: erst auf den zweiten Blick zu erkennen und in ihrer vielliecht besten Rolle - scheint direkt eine Art Gleichgesinnte in Leda zu sehen.
Ledas Figur steckt voller scheinbarer Widersprüchlichkeiten, aber dank der Besetzung mit Sympathieträgerin Colman hat sie direkt einige Vorschusslorbeeren bei den Zuschauern. Denn Leda ist mal abweisend, mal fürsorglich. Mal schnippisch, mal peinlich berührt. Mal geht sie auf Angriff, mal läuft sie davon. Erst im Laufe der Geschichte lernen die Zuschauer ihre Reaktionen zu verstehen.
Gyllenhaal hat damit eine zutiefst ambivalente Figur geschaffen, deren Handlungen am Ende nachvollziehbar sind, die man jedoch nicht zwingend gutheissen muss und die nicht ohne Konsequenzen bleiben. Denn so viel sei verraten: Direkt in der ersten Szene des Films bricht Leda mit blutiger Wunde am Strand zusammen. Was ist geschehen? Auch die Antwort auf diese Frage liegt natürlich in der Vergangenheit.