Schon immer waren die Menschen von True-Crime-Storys fasziniert. Die wahren Geschichten klingen dabei oft so unglaublich, dass sie sich Vorwürfe wie «unglaubwürdig» und «an den Haaren herbeigezogen» gefallen lassen müssten, wenn man sie sich ausdenken würde. Besonders auf dem kleinen Bildschirm feierten Serien wie American Crime Story: The People v. O.J. Simpson und natürlich auch Netflix' Tiger King grosse Erfolge. Mit House of Gucci erobert nun mal wieder eine solche Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann, die grosse Leinwand. In den Händen von Regiemeister Ridley Scott wird das zu einem unterhaltsamen Epos über Familie, Macht, Gier und Mord.
Scott arbeitet dabei fast 20 Jahre an Ereignissen in stolzen, aber nicht wirklich zu langen 157 Minuten ab. Zwar wäre eine TV-Serie über das Thema sicher auch nicht verkehrt gewesen. Doch eine solche wäre wohl kaum mit einem solchen Aufwand, Liebe zum Detail (OMG, diese Anzüge und Kleider!) und einem dermassen exquisiten Star-Cast (Lady Gaga, Adam Driver, Al Pacino, Jared Leto und Jeremy Irons) umgesetzt worden. Da die Genannten alle in Italien geborene Personen spielen, sprechen sie durchs Band mit einem aufgesetzten Akzent. Dabei sticht besonders Jared Leto heraus. Nicht nur wurde der exzentrische Oscarpreisträger (Dallas Buyers Club) am meisten mit Make-up verunstaltet - und sieht damit sogar fast älter aus als sein von Al Pacino gespielter Filmpapa -, sondern er trägt mit dem Akzent dermassen dick auf, dass es einen jeweils fast aus der Handlung wirft.
Doch das eben nur fast, denn wirkt hier eben alles eine Spur übertrieben - manchmal sogar gleich mehrere Spuren. House of Gucci fühlt sich zwar von der Familiengeschichte her zwischendurch wie ein Neffe von The Godfather an; allerdings wie ein Nachfahre, der dem weissen Pulver etwas zu sehr gefrönt hat. Alles ist over-the-top, was aber auch über die Marke Gucci gesagt werden kann, wo es Handtaschen im vierstelligen Betrag zu kaufen gibt. So ist diese übertriebene Herangehensweise durchaus berechtigt.
Scotts Film ist eine mit Musik vollgestopfte, epische Seifenoper, die nicht davor zurückschreckt, etwas peinlich und in der nächsten Szene todernst zu sein. Konsequent ist der Erzählton nicht. Doch dieses Auf und Ab ist höchst amüsant anzusehen. Da die meisten eh wissen werden, wie die Geschichte ausgegangen ist, wird der Weg dorthin so vergnüglich wie möglich gestaltet. Es ist ein Drahtseitakt, den Cast und Crew hier aufführen. Für einige wird das nicht funktionieren - sie werden wohl genervt sein ab dem Treiben. Andere hingegen werden fasziniert sein von diesen sauber aufgezeigten Machtspielchen. Über allem thront dabei eine starke Lady Gaga, die sich als pläneschmiedende Patrizia in einer Welt durchzusetzen versucht, die mehrheitlich von Männern dominiert wird. Ihr dabei zuzusehen, wirkt fast hynotisierend.