Zwar ist Der Sprayer von Zürich etwas zahm geraten für den stetigen Rebell gegen das System, dennoch fasst es Harald Naegelis Wesen, Einstellung und Kunst gut zusammen. Dieser Abgesang des alternden Punks - mental, nicht unbedingt visuell - macht ihn einerseits sympathisch mit seiner lockeren Art und dem Fakt, dass er auch mit über 80 Jahren seine Hater und die Behörden aus reiner Überzeugung ärgert. Andererseits zeigt er sich aber auch verletzlich und nostalgisch, was Regisseurin Nathalie David gut einfängt. Ein unaufgeregtes Porträt über eine Kultfigur der Stadt Zürich, die - nicht wie ihre Sprayereien - nicht so schnell aus dem Stadtbild verschwinden wird.
Harald Naegeli ist ein rares Gut im Kunstbereich: Er scheint seine Kunst zu mögen, umgibt sich mit dieser und findet auch, dass sie bestehende Strukturen verbessere. Viele andere Künstlerinnen und Künstler leiden unter einer Art Imposter-Syndrom und halten sich für nicht gut genug. Naegeli schien dies nie zu kümmern. Diese Gelassenheit, die der Künstler auch im Dokfilm von Nathalie David an den Tag legt, macht Naegeli noch interessanter. Das unweigerlich Charmanteste an ihm ist aber, wie er über Jahrzehnte seine Hater und die Behörden ärgerte - und das aus Überzeugung.
Doch hinter seiner lockeren Art ist eine Nostalgie auszumachen. Zwar scheint er mit seinem Leben zufrieden und fürchtet laut eigenen Aussagen den Tod nicht, dennoch versucht er eine gewisse Trauer zu verbergen. Er wirkt wie eine Art melancholischer Alt-Punk, vor allem mit den Weisheiten, mit denen er hier um sich schlägt. «Die Krankheit ist ein Signal, dass man weg muss», sagt der kranke Mann. Diese Facette Naegelis, das Altern eines ideologischen Künstlers, eines Punks, fängt Regisseurin Nathalie David schön ein.
Sie vermischt in dieser Dokumentation Interviews mit Naegeli sowie ein paar «Gegnern» und Freunden, Archivaufnahmen und E-Mails, die er über die Zeit verschickt hat. Allgemein ist Der Sprayer von Zürich eine eher zurückhaltend inszenierte Doku, die etwas mehr Konflikt vertragen hätte, war Naegelis aktive Zeit als Sprayer doch sehr turbulent und konfliktreich. Stattdessen hat sich die Filmemacherin für ein ruhiges Porträt des Künstlers entschieden. So mag es nicht anecken, wie dies der Künstler tat und tut, fasst seine Ideologie und sein Wesen aber dennoch gut in sich zusammen.