The Innocents - De uskyldige (2021)

The Innocents - De uskyldige (2021)

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  3. 117 Minuten

Filmkritik: X-Men: Kindergarten

74e Festival de Cannes 2021
Mehr als nur ein böser Blick
Mehr als nur ein böser Blick © Mer Films

Die neunjährige Ida (Rakel Lenora Fløttum) hat es gerade nicht leicht. Nicht nur liegt der Fokus ihrer Eltern hauptsächlich auf Idas älteren, autistischen Schwester Anna (Alva Brynsmo Ramstad), die Familie ist auch neu in einen Hochhauskomplex am Waldrand gezogen. So muss Ida nun erstmals neue Freunde finden, um sich nicht völlig alleingelassen zu fühlen. Da macht sie eines Tages die Bekanntschaft mit den Nachbarsjungen Ben (Sam Ashraf), welcher die Fähigkeit hat, Objekte mit seinen Gedanken zu bewegen.

Gelb wie die Anzüge der X-Men
Gelb wie die Anzüge der X-Men © Mer Films

Doch Ben ist nicht der einzige mit übernatürlichen Kräften in der Nachbarschaft. So kann die fast gleichaltrige Aisha (Mina Yasmin Bremseth Asheim) die Gedanken anderer hören. Zusammen verbringen Ida, Ben, Aisha und auch Anna fortan viel Zeit miteinander. Doch schnell wird klar, dass Ben seine Mächte nicht nur für kleine Spässe einsetzt. Seine Kräfte nehmen zu und so wird er zur grossen Gefahr für die Kinder und alle Menschen in seiner Umgebung.

The Innocents ist ein kleiner, aber gemeiner Schocker, der trotz Kinderdarstellerinnen und -darstellern einige sehr heftige Szenen aufweist und damit viele auf dem falschen Fuss erwischen wird. Einigen wird das Gezeigte deutlich zu weit gehen, doch Fans von Übernatürlichem, denen Stranger Things zu wenig deftig ist, werden hier ihre Freude haben.

Besonders in Horrorfilmen kommen Kinder gerne mal zur Spannungsmache zum Einsatz. «Die liebe Kleinen, hoffentlich passiert ihnen nichts», werden in brenzligen Situationen sicher nicht nur Eltern denken. Bei The Innocents wünscht man hingegen besonders einem Kind, dass es gefälligst schnellstens tot umfallen soll. Ein schöneres Kompliment hätte sich Regisseur Eskil Vogt für seinen minderjährigen Bösewicht Ben wohl nicht wünschen können. Denn dieser Wunsch zeigt, wie effektiv der übernatürliche Schocker ist.

Gleich vorneweg: Obwohl Kinder die Hauptrollen spielen, ist der Film überhaupt nichts für Leute mit schwachen Nerven - geschweige denn für unter 16-Jährige. Besonders das hässliche Geräusch von brechenden Knochen fährt einem ordentlich in die... Knochen, wobei sich das auch Stunden und Tage nach dem Film nicht so leicht abschütteln lässt.

Der Film von Vogt, der zuvor unter anderem das Skript zum übernatürlichen Drama Thelma von Joachim Trier geschrieben hat, erinnert vom Aufbau an den Found-Footage-Streifen Chronicle, in dem drei High-School-Schüler plötzlich mit Superkräften ausgestattet sind. Dort, wie auch hier, herrscht zuerst Belustigung über die neuen Fähigkeiten, mit denen Schabernack angestellt werden kann. Doch dann ziehen düstere Wolken auf, wenn eine der Figuren die Kräfte für nicht so gute Sachen einsetzt.

Vogt hält sich mit den komödiantischen Elementen im Gegensatz zu Josh Trank jedoch äusserst zurück. Er etabliert früh, dass mit Sam Ashrafs Ben überhaupt nicht gut Kirschen essen ist und gegen dessen Boshaftigkeit sogar ein Macaulay Culkin in The Good Son ganz alt aussieht. Für einen Film über Kinder im Vorschulalter mit Superkräften ist The Innocent aber fast ein bisschen zu bierernst ausgefallen. Der Film profitiert jedoch auch davon, dass er nicht zurückhält und vieles mit aller Brutalität durchzieht. Obwohl die Storybeats bekannt sein dürften, wird der Schocker auf diese Weise unberechenbar, da nicht klar ist, wie weit Vogt gehen wird. Weniger klar ist jedoch, was genau für Superkräfte die einzelnen Kinder besitzen. Vieles bleibt zu vage und in einigen Fällen auch etwas beliebig. Da fällt es trotz überzeugenden Darstellerinnen und Darstellern schwer, sich wirklich in diese Welt hineinzufinden und so sind die fast zwei Stunden auch immer wieder spürbar.

Doch die einnehmende Bildsprache lässt einen trotzdem weiterhin gebannt auf die Leinwand schauen. Den Originalitätspreis wird Vogt mit diesem Film sicher nicht gewinnen. Aber als kleiner Geheimtipp unter Horrorfans könnte dieser fiese Streifen einige glücklich machen.

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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