Crows (2021)

Crows (2021)

Krähen
  1. 90 Minuten

Filmkritik: Des Menschen nächster Freund

58. Solothurner Filmtage 2023
Unglücksrabe
Unglücksrabe © MovieBizFilms

Seit Jahrtausenden leben die Raben sowie die Menschen in enger Verbindung, beinahe symbiotisch Seite an Seite, und nutzen die Vorteile der jeweils anderen Spezies. So sind die Raben und Krähen als Aasfresser auf einen carnivoren Jäger angewiesen, bei dessen Beute sie sich ernähren können. Sie hingegen leiten diesen Jäger an und stöbern für ihn Beutetiere auf. Der Rabe ist so seit jeher eines der dem Menschen nahestehendsten Tiere, ohne jemals domestiziert worden zu sein.

Raben als Abbild für die menschliche Zivilisation
Raben als Abbild für die menschliche Zivilisation © MovieBizFilms

In den USA wird die Intelligenz der Tiere erforscht, in Japan versucht man, die Population in den Griff zu bekommen, während die Müllhalden in Indien das moderne Zusammenleben der Spezies auf eine gnadenlose Art und Weise aufzeigen: Früher standen uns die Tiere nahe, weil wir die besten Jäger waren. Heute, weil wir den meisten Abfall produzieren.

Unzählige Forschungen befassen sich mit durch den Menschen domestizierte Tiere - nur wenige jedoch mit Krähen, was daran liegen mag, dass sie sich nie zähmen liessen. Die Dokumentation Crows zeigt unterschiedliche Aspekte und Arten von Krähenvögeln und deren Zusammenleben mit dem Menschen. Dies birgt viel Wissenswertes, legt den Fokus dann aber etwas zu stark auf dieses Zusammenleben und etwas weniger auf die Tiere selbst. Die Dokumentation wird untermalt durch starke Animationssequenzen und ein überzeugendes Sounddesign.

Martin Schilt bleibt mit seiner Dokumentation Crows in unmittelbarer Nähe der Menschheit. Er arbeitet die Beziehung zwischen den Krähen und dem Menschen auf, eine Verbindung, welche seit jeher besteht und sich im Laufe der Zeit ständig weiterentwickelt hat. Begonnen hatte diese, als die Menschen noch auf die Jagd gingen und den Krähen somit Kadaver und Überreste überliessen, welche die Aasfresser sättigten.

Die Dokumentation beginnt mit einer wunderschönen animierten Eröffnungssequenz, komplett in Schwarz-weiss. Sie die rekonstruiert symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Vogel, von den Anfängen mit grossen (für die Krähen nahrhaften) Schlachtfeldern bis hin zur neuzeitlichen Zivilisation. Zusätzlich aufgewertet werden die gezeichneten Hintergründe durch eine 3D-animierte Krähe, die perfekt eingepasst ist. Grossartige Arbeit!

Die Dokumentation befasst sich danach mit den unterschiedlichen Örtlichkeiten und den dort jeweilig vorherrschenden Themen in Bezug auf die Vögel. Diese Episoden befassen sich mit der Intelligenz, der Vermehrung und der Reduzierung der Vögel und nehmen die Unterarten der Krähenvögel unter die Lupe. Renommierte Forschende erzählen vom Sozial- und Territorialverhalten und den bisher unterschätzten Kommunikationsmöglichkeiten, über welche die Krähen verfügen. Tests und Gehirnscans belegen eindrücklich, wie sich die Tiere sozial organisieren und weshalb sie dem Menschen so nahestehen, ohne sich von diesem jemals domestizieren zu lassen.

Die einzelnen Themenbereiche sind interessant und aufschlussreich, kommen in der Laufzeit von 90 Minuten aber zu kurz. Gerne hätte man als Zuschauerin oder Zuschauer noch mehr erfahren. Die Dokumentation spricht auch Themen wie die Reduktion der Bestände an und zeigt Methoden, mit denen dies zu erreichen ist. Deren Sinnhaftigkeit oder die Erfolgschancen zu einer Reduzierung der Population erläutert die Doku allerdings zu wenig.

Der Film wartet mit erstaunlichen Bildern auf. Es gelingt Schilt, sehr nahe an die Krähen heranzukommen und diese bei ihren alltäglichen Tätigkeiten zu filmen, ohne dass diese die Kamera zu bemerken scheinen. So wird aus einem Loch heraus gefilmt, in dem die Krähe mit einem Werkzeug nach Larven fischt, was zu äusserst witzigen Aufnahmen führt. Das Sounddesign mit den Tonaufnahmen und der musikalischen Untermalung unterstützt diese tollen Bilder.

Der Film stellt die Krähe als Indikator für die Entwicklung (nicht nur im positiven Sinne) und den Zustand der menschlichen Zivilisation dar. Der Bezug zum Menschen ist - durch die Nähe der beiden Existenzen - sicherlich gegeben, jedoch hätte der Film die Krähe gerne etwas mehr auf ihre eigenen Entwicklungsschritte und Eigenschaften fokussieren dürfen. Dennoch ist Crows eine spannende Dokumentation mit angenehmer Erzählstimme und tollen animierten Sequenzen über die Menschheit. Und die Krähen.

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

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Trailer Deutsch, 01:40