Copilot (2021)

Copilot (2021)

Die Welt wird eine andere sein
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  2. 118 Minuten

Filmkritik: Dem Himmel so nah

Nur fliegen ist schöner!
Nur fliegen ist schöner! © First Hand Films

Auf einem Jahrmarkt irgendwann in der Mitte der 90er-Jahre erblickt die junge Asli (Canan Kir) den gleichaltrigen Jungen Saeed (Roger Azar), der an der gleichen Uni wie sie studiert. Während Asli sich eher der Forschung und dem Obduzieren hingibt, versucht sich Saeed in der Zahnmedizin. Bei einem unterhaltsamen Abend inklusive Flaschendrehen kommen sich die beiden näher. Die schüchterne Asli lässt sich vom selbstbewussten Auftreten von Saeed in den Bann ziehen. Sie verlieben sich und er gibt ihr das Gefühl, zu fliegen.

«Bist du mein neuer Friseur?»
«Bist du mein neuer Friseur?» © First Hand Films

Etwas später heiraten die beiden, ohne Aslis strenger und eher konservativer Mutter (Özay Fecht) etwas zu sagen. Alleine der Kulturschock zwischen dem fremden Libanesen und der türkischstämmigen Tochter hätte ihr wortwörtlich das Herz gebrochen. In ihren ersten glücklichen Momenten erzählt Saeed Asli, dass er an Stelle eines Zahnarztes lieber Pilot geworden wäre und macht im gleichen Atemzug Asli zu seiner Co-Pilotin. Nur wenige Jahre später merkt Asli, dass etwas nicht stimmt. Ihr Ehemann verheimlicht ihr etwas. Als er dann noch beschliesst, vorübergehend in den Nahen Osten zu verreisen, macht sich Asli verzweifelt auf die Suche nach Antworten.

Dieses Drama spricht allen Verliebten und allen, denen jemals das Herz gebrochen wird, direkt aus der Seele. Schon früh erkennt man gewisse Unterschiede zwischen diversen Kulturen und Religionen. Kurze Zeitsprünge lassen den Film auch nicht zu langatmig wirken. Mit den eher unbekannten Schauspielern überzeugt der Film durch seine gnadenlose Ehrlichkeit, seinen toll gewählten Drehorten und einer Hauptdarstellerin, welche man von der ersten Sekunde an ins Herz schliesst.

Canan Kir, welche als Hauptdarstellerin die junge Asli verkörpert, lässt einen wieder zurück ins Teenager-Alter fallen. Sie trägt den Film an bestimmten Stellen ganz alleine und dank ihrem teilweise traurigen Hundeblick glaubt man ihr, wenn sie ihre Geschichte erzählt. Als Zuschauer erkennt man sich ab und an wieder, wenn es um die erste möglicherweise grosse Liebe, das befreiende Gefühl von Schmetterlingen im Bauch und der Spaziergang auf der Wolke sieben in schwindelerregender Höhe geht.

Die Regisseurin ist kein unbeschriebenes Blatt. Die 39 Jahre junge Anne Zohra Berrached hat 2017 schon bei einem Tatort ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Ihren Langfilm-Durchbruch feierte sie mit Zwei Mütter und nun zeigt sie mit Copilot, dass sie richtig emotionale Liebesdramen zaubern kann.

Zwischen den Zeitsprüngen, welche deutlich zu erkennen sind werden immer wieder kurze und knappe Ausschnitte aus dem Leben von Asli und Saeed gezeigt. Für viele Zuschauer dürfte der Kulturschock zwischen den im Film gezeigten Glaubensrichtungen absolutes Neuland sein. Zuschauer, welche muslimischen oder jüdischen Glaubens abstammen, erkennen erschreckend deutliche Parallelen zur heutigen Zeit.

Asli leidet zusehends und dennoch findet sie den Mut, sich auf die lange Reise in den Libanon zu begeben - ungewiss, auf welche Antworten sie stossen wird. Kenner und Liebhaber von dramatischen Filmen werden mit wenigen Kombinationen ungefähr nach der Hälfte des Filmes erkennen, in welche Richtung sich der Film bewegt. So ist die Aufklärung aller Fragen schon beinahe unbeeindruckend.

Die Schauspieler machen ihren Job ordentlich. Etwas schade ist, dass die Nebendarsteller oft nur kurz zu sehen sind und bis auf Saeeds Familie keinen grossen Einfluss auf die Geschichte haben. Sie füllen zwar eine gewisse dekorative Lücke, machen den Film bunt und abwechslungsreich; so richtig identifizieren kann man sich aber lediglich mit Asli und Saeed. Besonders auffallend sind die optischen Veränderungen der Hauptcharakter. Sei es eine neue Frisur, ein kahlrasiertes Kinn, das vorher noch Barthaare zierten oder schicke, neue Accessoires, welche sich jedem Drehort anpassen können.

Sandro Götz [goe]

Sandro bringt seit 2021 für OutNow seine Worte auf den Bildschirm. Sein erster Kinofilm, «The Lion King», hat den Löwen in ihm geweckt. Seither liebt und lebt er alles, was mit dem Thema Film zu tun hat. Auch für Videospiele ist er stets zu begeistern und daddelt gerne auf Controllern rum.

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Trailer Originalversion, mit deutschen und französischen Untertitel, 02:06