Der italo-amerikanische Filmemacher Jonas Carpignano komplettiert mit dem Drama A Chiara seine Trilogie, die sich rundum die italienische Hafengemeinde Gioia Tauro, am südlichsten Punkt Kalabriens gelegen, abspielt. Sein erster Film Mediterranea handelte von Flüchtlingen aus Burkina Faso und in seinem zweiten Werk Pio widmete er sich dem Leben der lokalen Romagemeinschaft. Letzterer wurde übrigens von Kultregisseur Martin Scorsese koproduziert. Im finalen Teil dieser Gioia-Tauro-Trilogie legt Carpignano den Fokus auf ein 15-jähriges Mädchen, welches erfahren muss, dass sein Vater einer der Drahtzieher der 'Ndrangheta, der kalabrischen Mafia, ist.
Wie in den beiden vorangegangenen Werken arbeitet Carpignano erneut mit Laiendarstellern zusammen und verschafft seinem Film so ein hohes Mass an Authentizität. Die Geschichte wird grösstenteils aus der Perspektive von der Hauptfigur Chiara erzählt, wobei die Kamera ihr jeweils mit sehr nahen Aufnahmen folgt und ihre Emotionen so sehr schön einfängt. Verkörpert wird sie von Swamy Rotolo, welche eine sensationelle Darbietung abliefert. Mit ihren grossen dunklen Augen und ihrer aufgeweckten, energievollen Art ist sie die ideale Besetzung für die mutige, neugierige Chiara.
Und auch Claudio Rotolo spielt seine Rolle überzeugend. Gerade weil er sich stets zurückhaltend verhält, nachdenklich und geheimnisvoll wirkt, passt er bestens in das Bild eines einflussreichen Mafioso. Carpignano macht damit deutlich, wie stark die Gesellschaft in den süditalienischen Regionen von den kriminellen und korrupten Machenschaften infiltriert ist. Ein Mann wie Claudio Rotolo, der seriös und vernünftig zu sein scheint, und einen sehr liebevollen Umgang mit seiner Familie pflegt, hat eine wichtige Funktion innerhalb der berüchtigten Organisation.
Passend zur Geschichte ist A Chiara insgesamt düster inszeniert, wobei viele Szenen bei Nacht und einige gar im Untergrund spielen. In der mysteriösen Atmosphäre, die Carpignano kreiert, gelingt es ihm mehrfach, seine Zuschauer zu überraschen oder gar zu erschrecken. Die Art und Weise, wie er die Spannung konstant aufrechtzuerhalten vermag, ist bemerkenswert.
Wie in seinen ersten beiden Filmen integriert Carpignano zudem wieder eine Vielzahl an zeitgenössischen, vorwiegend italienischen Popsongs. Diesen Bezug zur Aktualität stellt er bewusst her, um die Authentizität seines Werks zu stärken. Und zum Teil wird sie so laut aufgedreht, dass dem Film eine noch höhere Intensität und Dynamik verliehen wird.