Verdrängte Erinnerungen sind ein beliebter dramaturgischer Kniff zur Spannungserzeugung in Filmen oder Romanen, erlauben sie doch, das Publikum auf einem ebenso unklaren Stand zu lassen wie die Protagonistin oder den Protagonisten. Doch Alice Schmid, selbst erfahrene Filmregisseurin von Filmen wie Die Kinder vom Napf oder Das Mädchen vom Änziloch musste mit fast 70 Jahren die schmerzliche Erfahrung machen, dass dieses Phänomen nicht nur in der Fiktion existiert.
Der sexuelle Missbrauch, den sie mit 16 erfahren musste, war ein traumatisches Erlebnis und prägte fortan ihr Leben, was sich auch daran zeigte, dass sie das Thema sexuelle Gewalt immer wieder in ihren Werken aufgriff. Und doch hat ihr Gehirn diese Erinnerung verdrängt. Alice Schmids Bericht ist ein bedrückendes und beeindruckendes Zeugnis dafür, wie sich das menschliche Gehirn eine Schutzhülle um schlimme Erinnerungen baut, um diese zu verarbeiten.
Burning Memories ist das Resultat einer Art Selbsttherapie, der sich Alice Schmid unterworfen hat. Der Film besteht einerseits aus den aus dem Off gesprochenen Berichten der Regisseurin, andererseits aus den Bildern der Wüste Südafrikas und einigen eingestreuten alten Familienaufnahmen. Für aussenstehende Zuschauerinnen und Zuschauer ist vor allem ersteres aufschlussreich. Der sexuelle Missbrauch ist dabei nur Anlass, jedoch nicht Thema der Erzählung. Im Fokus steht vielmehr Schmids Kindheit in einer ländlichen Schweizer Gegend während der Fünfziger- und Sechzigerjahre und ihr schwieriges Verhältnis zu den Eltern, insbesondere ihrer Mutter, von der sie regelmässig geschlagen wurde.
Mit dem Beispiel ihrer eigenen Kindheit schafft es Alice Schmid auch, ein Sittenbild der damaligen Zeit zu zeichnen, in einer Zeit, in der so vieles tabuisiert und unter den Tisch gekehrt wurde. Ihre Erzählung schöpft Kraft aus der stoischen Ruhe, mit der sie diese vorträgt, und die im Gegensatz zur inneren Unruhe steht, die sie dabei empfunden haben muss. Mit den Bildern, die einen eher meditativen Charakter aufweisen, korrespondieren Schmids Worte nur gelegentlich - ihre Erzählung hätte wohl auch gut als Podcast funktioniert.
Sehenswert ist ihr Werk aber dennoch; ein schwerer, unangenehmer, aber auch ein entwaffnend ehrlicher und persönlicher Film, in dem die Regisseurin offen über Ihr Innenleben und ihre Traumata spricht. Gleichzeitig kann Burning Memories auch als Ermutigung gesehen werden: als Ermutigung für junge Mädchen, nicht zu schweigen, wenn sie selbst sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Damit sie nicht ebenfalls ein Leben lang mit den psychischen Folgen von Taten anderer zu kämpfen haben.