Magnus von Horns Erstlingswerk The Here After handelte von einem Jugendlichen, der soeben aus dem Gefängnis entlassen wurde und zurück in seinem Heimatdorf um Vergebung kämpft und versucht, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. In Sweat greift von Horn einige Themen aus seinem Vorgängerfilm wieder auf. Erneut legt er den Fokus sehr stark auf seine Hauptfigur, deren Psyche und deren öffentliche Wahrnehmung. Die Zuschauer werden Zeugen davon, wie Sylwia ihr Image in der Öffentlichkeit pflegt und um Anerkennung und Akzeptanz kämpft. Dabei wird sie mit Vorurteilen konfrontiert, insbesondere von ihrer Familie, für welche die Social-Media-Welt grösstenteils fremd ist.
Die Erzählung wirkt ungemein authentisch und aktuell, weil die jüngeren Generationen, welche auf den sozialen Medien aktiv sind, auf ihren Feeds tagtäglich zahlreiche junge Menschen wie Sylwia zu sehen bekommen. Und aus ihren eigenen Erfahrungen dürften viele auch nachvollziehen können, dass ältere Generationen sich zum Teil schwer damit tun, der Entwicklung der sozialen Medien zu folgen, deren Inhalte zu akzeptieren und diese als bedeutsam einzustufen.
Die Wertvorstellungen, welche von Sylwia vermittelt werden, sind keineswegs falsch, jedoch unverhältnismässig. Schönheit, Fitness, gesunde Ernährung und ökologisches Denken vermarktet sie so diszipliniert und leidenschaftlich, dass essenzielle Aspekte ihres Lebens wie die Liebe und das soziale Umfeld stark vernachlässigt werden. Als sie dies realisiert und in einem Video öffentlich Stellung dazu nimmt, wird es von verschiedenen Seiten, insbesondere von ihren Sponsoren, heftig kritisiert. Damit wird deutlich aufgezeigt, welch grosse Bedeutung der Social-Media-Wahn für die Wirtschaft hat und wie dies Sylwia in ihrem Handeln einschränkt.
Mit der Stalker-Geschichte greift von Horn einen weiteren grossen Nachteil und eine Gefahr der Influencer-Tätigkeit auf. Auch diese Szenen sind authentisch inszeniert, wobei der Regisseur diese Entwicklung wirklich bis auf die Spitze treibt und einen Akt von Gewalt unverblümt darstellt.
Das grösste Lob für diesen starken Film gebührt aber der Hauptdarstellerin Magdalena Koleśnik. Die hübsche polnische Schauspielerin passt bestens in die Rolle der erfolgreichen Influencerin. Während sie in der Anfangsphase insbesondere mit ihrem energiegeladenen, motivierten und charmanten Auftreten begeistert, überzeugt sie im Verlaufe des Films auch in sehr emotionalen Szenen als verunsicherte und verletzliche Person. Die Kamera folgt ihr dabei auf Schritt und Tritt und hält die schauspielerische Meisterleistung mit oftmals sehr nahen und dynamischen Aufnahmen fest.