Hochwald (2020)

Hochwald (2020)

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  2. 107 Minuten

Filmkritik: Wenn die Seilbahn-Gondel Trauer trägt

16. Zurich Film Festival 2020
Discothèque
Discothèque © Zurich Film Festival

Der junge Mario (Thomas Penn) lebt in einem verschlafenen Südtiroler Dorf. Er fühlt sich nicht wohl in seinem spiessigen Umfeld und möchte unbedingt eine Tanzkarriere starten. Üben muss er klammheimlich im Mehrzwecksaal der Dorfschule, wo sein Vater als Hauswart tätig ist. Sein Freund Lenz (Noah Saavedra) hat es geschafft und arbeitet als Tänzer in Rom. Durch seinen unerwarteten Besuch werden die Sehnsüchte in Mario wieder erweckt und er fühlt sich in seinen Träumen bestätigt.

Mario und Lenz besuchen vor dessen Abreise gemeinsam einen LGBTQ-Club, wo sie noch einmal so richtig auf den Putz hauen möchten und Mario eventuell den Künstleragenten von Lenz treffen kann. Der Abend wird durch eine brutale Attacke unterbrochen und Marios Leben wird total aus der Bahn geworfen. Nach diesem Schicksalsschlag sucht er Trost in Drogen und hinterfragt seine Spiritualität.

Hochwald behandelt nicht nur sozial relevante Themen, sondern erzählt auch eine spannende Geschichte mit einer faszinierenden Hauptfigur und packt sie in ein höchst stylisches und hippes Gewand. Der Soundtrack ist ebenso ein integraler Bestandteil der Story, wie auch die innovative Bildsprache. Während der doch eher kurzen Laufzeit überrascht das österreichische Drama vor allem mit seiner emotionalen Berg- und Talfahrt und seinen vielen Überraschungen. So wird nicht nur die Hauptfigur immer wieder (im positiven Sinne) aus der Bahn geworfen. Grosses Kino aus unserem kleinen Nachbarland!

Am Vorurteil, dass die Provinz eher ein Nährboden für Homophobie und Fremdenhass sei, muss etwas dran sein. Zumindest die Wahlergebnisse sprechen da eine klare Sprache. Genau mit dieser Thematik beschäftigt sich Regisseurin und Drehbuchautorin Evi Romen auf ausserordentlich spannende Weise. Dazu hat sie sich mit Thomas Prenn einen jungen Bozener Hauptdarsteller ins Boot geholt, der die komplexe Rolle des introvertierten Extrovertierten mit viel Energie und Herzblut spielt. Einen grossen Teil des Filmes trägt er auf seinen mehr als kompetenten Schultern. Den Biohackers-Star gillt es also in Zukunft genau zu beobachten.

Da der Plot viele unerwartete Richtungen einschlägt, lohnt es sich, unvoreingenommen in den Film zu gehen. Neben der Handlung gibt es auch in Sachen Inszenierung viel Innovatives. Die Lokalität der schönen Region wurde toll eingefangen und Marios Tanzszenen setzen immer wieder energetisch Akzente. Seine Liebe zur Discomusik macht sich auf dem gesamten Soundtrack bemerkbar; ihr Einsatz in dramatischen Szenen kreiert einen starken Kontrast, der sich auch in der Gegensätzlichkeit gewisser Storyelemete widerspiegelt.

Marco Albini [ma]

2003 verfasste Marco seine erste Kritik auf OutNow und ist heute vor allem als Co-Moderator des OutCast tätig. Der leidenschaftliche «Star Wars»-Fan aus Basel gräbt gerne obskure Genrefilme aus, aber Komödien sind ihm ein Gräuel.

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