Drunk - Another Round (2020)

Drunk - Another Round (2020)

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  3. 117 Minuten

Filmkritik: Ein Rausch von einem Film

45th Toronto International Film Festival
Lehrer haben immer eine Vorbildfunktion.
Lehrer haben immer eine Vorbildfunktion. © Pathé Films

Martin (Mads Mikkelsen) hat schon bessere Zeiten erlebt. Seine Frau kriegt er wegen deren häufigen Nachtschichten kaum mehr zu sehen und in seinem Lehrerjob spult er sein Programm so emotions- und motivationslos herunter, dass die Schüler sich darum sorgen, dass sie mit dem Stoff aus seinem Unterricht die Abschlussprüfungen nicht bestehen werden. Bei einem Abendessen mit drei anderen Lehrern erzählt Martins Kumpel Nikolaj (Magnus Millang) von einer Theorie, dass der Mensch mit 0.5 Promille zu wenig im Blut auf die Welt gekommen sei. Mit einem leicht erhöhten Pegel wären die Menschen viel lockerer drauf und ihre Kreativität sowie ihre geistige Leistung würde steigen.

Zu einer Hymne gehört eine Fahne.
Zu einer Hymne gehört eine Fahne. © Pathé Films

Martin, Nikolaj sowie der Musiklehrer Peter (Lars Ranthe) und der Sportlehrer Tommy (Thomas Bo Larsen) beschliessen, dass sie diese Theorie testen und ihre Erfahrungen dokumentieren wollen. So versuchen sie während der Arbeitszeit den Alkoholpegel von 0.5 zu halten. Nach 20:00 Uhr oder an Wochenenden soll jedoch nicht getrunken werden. Es geht ja darum, die Arbeitsleistung zu steigern. Bald nehmen es die vier Männer aber nicht mehr so genau mit ihren aufgestellten Regeln - was schnell zu Problemen führt.

Thomas Vinterberg hat mit Another Round die perfekte Balance zwischen Komödie und Drama gefunden. Der Film ist oftmals herrlich lustig, vergisst dabei aber nicht auf die Gefahren von Alkohol hinzuweisen, jedoch ohne dabei allzu sehr ins Predigen zu verfallen. Der differenzierte Umgang mit dem Thema sowie ein tolles vom grossartigen Mads Mikkelsen angeführtes Schauspieler-Ensemble machen Another Round zu einem unterhaltsamen Rausch von einem Film - ohne Kopfschmerzen am Morgen danach.

Der Plot von Another Round über Lehrer, die ständig am Saufen sind, könnte geradesogut zu einer amerikanische College-Komödie passen. Doch es handelt sich hierbei um ein Werk des Dänen Thomas Vinterberg, von dem niederschmetternde Dramen wie Festen und Jagten stammen. Die Erwartung, dass der gefasste Saufplan der Protagonisten ab einem gewissen Punkt fürchterlich ausser Kontrolle geraten wird, ist durchaus berechtigt. Trotzdem ist Another Round ein herrlicher und in der Inszenierung perfekt kontrollierter Rausch, dem man sich ohne schlechtes Gewissen hingeben kann.

Aufgebaut ist der Film dabei wie ein feucht-fröhliches Wochenende. Es beginnt langsam, nach den ersten Schlücken gibt es die ersten Lacher, es wird mit zunehmendem Pegel verrückter, bis es dann zu viel wird und man am nächsten Morgen mit nicht mehr so schönen Gefühlen aufwacht. Another Round ist also lange Zeit verdammt witzig, bis schliesslich das Drama den letzten Abschnitt dominiert.

Doch Vinterberg sieht die ganze Alkoholsituation nicht schwarzweiss. Der Alkohol fährt jedem der vier Lehrer anders ein und jede Figur zieht aus ihrer Aktion seine eigenen - oder eben keine - Schlüsse daraus. Bier, Wein und Härteres werden aber auch nicht verteufelt, Vinterberg predigt also nicht Abstinenz. Sein Film ist differenziert und geht ehrlich mit dem Thema um, was die Tragikomödie herrlich erfrischend macht. Letztendlich gilt beim Alkohol dasselbe wie bei vielen anderen Dingen im Leben: Die Menge macht das Gift.

Etwas schade ist, dass wir nur zwei der vier Lehrer richtig kennenlernen. Über den Musiklehrer und den Coach erfahren wir nicht viel. Stattdessen fokussiert sich der Film vornehmlich auf den von Mads Mikkelsen gespielten Martin; und der ehemalige Bond-Bösewicht (Casino Royale) spielt seine Rolle sensationell. Die Transformation vom Langweiler zum Partyhengst nimmt man Mikkelsen voll ab.

Allgemein macht es Spass, den Herren zuzuschauen, wie sie sich diesem Experiment hingeben, auch weil man ihr Vorhaben eher von ihren Schülern erwarten würde. Dass die Lehrer natürlich einfach versuchen, ihrer Midlife-Crisis oder anderen Sorgen zu entkommen, ist klar. Vinterberg schafft es aber mit Leichtigkeit, diesen Aspekten ihre Schwere zu nehmen und schafft so einen richtigen Crowdpleaser, auf den die Macher mit Stolz anstossen können - aber bloss nicht übertreiben, liebes Film-Team!

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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Kommentare Total: 2

chr

Braucht ne ganze Weile um einigermassen in Schwung zu kommen. Was diese dauernden Texteinspieler in französischer Sprache sollen? Keine Ahnung. Und die letzten 5 Minuten sollten wohl zeigen wie ausgeflippt Mikkelsen sein kann. Zum Charakter hats nicht gepasst.

crs

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