La daronne (2020)

La daronne (2020)

Filmkritik: Bräkinn' bäd

Damnit! WC-Papier schon wieder ausverkauft!
Damnit! WC-Papier schon wieder ausverkauft! © Praesens Film

Nomen est omen: Für ihre Arbeit als Arabisch-Dolmetscherin bei der Pariser Polizei braucht Patience (Isabelle Huppert) zuweilen tatsächlich viel Geduld. So richtig glücklich macht sie ihr Job allerdings nicht. Und auch sonst steckt sie in ihrem Leben fest. Seit ihr Mann vor über 20 Jahren gestorben ist, lebt sie in der Vergangenheit, wie ihr ihre beiden erwachsenen Töchter vorwerfen. Für die Beziehung zum Polizeikommissar Philippe (Hippolyte Girardot) bringt sie nicht richtig grosse Gefühle auf, und ihre schwerkranke Mutter (Liliane Rovère) droht den Platz im Pflegeheim zu verlieren, weil Patience dessen Kosten nicht mehr bezahlen kann.

Spiegelbild der Gesellschaft
Spiegelbild der Gesellschaft © Praesens Film

Als sie eines Tages das Telefonat eines verdächtigen arabischstämmigen Drogenschmugglers simultanübersetzen muss, erkennt sie dabei eine bekannte Stimme. Sie sieht die Chance gekommen, ihrem tristen Leben zu entfliehen. So führt sie ihre Polizeikollegen nicht nur durch Falschübersetzungen in die Irre, sondern reisst sich auch noch gleich die Drogenbeute unter den Nagel. Mit rund einer Tonne Stoff als Startkapital steigt sie ins lukrative Drogenbusiness ein. Doch sie muss höllisch aufpassen, dass ihr Lebenspartner keinen Verdacht schöpft.

Yeah! Isabelle Huppert goes Breaking Bad! Die mittlerweile 67-jährige Schauspielerin zieht in dieser One-Woman-Show mal wieder alle Register und zeigt, warum sie eine Art Lebensversicherung ist für Produzenten mittelmässiger Filme. La daronne ist so weder besonders originell noch besonders spektakulär inszeniert, bietet aber 100 Minuten gute Unterhaltung mit einigen Schmunzlern. Eine Standard-Krimikomödie mit einer Nicht-Standard-Hauptdarstellerin.

Es geht alles ziemlich zackig in La daronne. Da gibt Isabelle Huppert eben noch die gewissenhafte, aber gleichermassen frustrierte Dolmetscherin, so ist sie ein paar Minuten später schon die weibliche Version von Walter White, die mit schneidigem Auftreten ihre kleinkriminellen Geschäftspartner zur Schnecke macht. Glaubwürdig? Nicht die Bohne. Schlimm? Nein. Zumindest nicht, solange man eine Isabelle Huppert im Cast hat.

Im Film von Jean-Paul Salomé hapert es nicht nur beim Drehbuch, sondern auch bei der sehr flachen Charakterzeichnung der Nebenfiguren mit einigen nicht ganz unproblematischen Stereotypen. Und auch in Sachen Inszenierung kommt er eher im Stil eines routinierten TV-Sonntagabendkrimis daher. Aber wenn Huppert mit ihrem typisch genervt-verächtlichen Blick via Ballergame mit Drogendealern verhandelt oder als «Mama Weed» - so der leicht dämliche internationale Titel des Filmes - im Supermarkt eine Übergabe organisiert, dann ist das trotz aller Defizite höchst vergnüglich mitanzuschauen.

Man kann nun einwenden, dass hier Perlen vor die Säue geworfen werden. Schliesslich ist das die Darstellerin, die damals die selbstzerstörerische Klavierspielerin verkörperte (aufmerksame Zuschauer entdecken übrigens in einer Szene das Filmposter im Hintergrund). Eine gleichermassen beeindruckende wie auch verstörende Performance. Und nun, mittlerweile im Pensionsalter, macht sie also einen auf Robert De Niro, der sich auf seine alten Tage auch gerne mal in nicht besonders anspruchsvollen Komödien wie Dirty Grandpa oder The Intern zeigt? Doch eine gute Schauspielerin zeichnet sich eben auch gerade dadurch aus, dass sie einen mittelmässigen Film trotzdem sehenswert macht.

Und genau dies ist hier der Fall. Wobei man dem Film dann aber doch zugutehalten muss, dass er nicht ausschliesslich auf schnelle Lacher aus ist. Tatsächlich verbirgt sich hinter Hupperts Charakter und auch demjenigen ihrer Mutter eine durchaus interessante Backstory, die nicht frei von Tragik ist. Leider wird diese eher schludrig erzählt, so dass man als Zuschauer nur ansatzweise emotional mitzieht. Trotzdem zeigt der Film in diesen Szenen, dass da ein Potenzial geschlummert hätte. Vielleicht hätte die Story ja als TV-Serie, die sich mehr Zeit nimmt für ihre Figuren, besser funktioniert - auch wenn man sich dann noch viel stärker den Vergleich mit der Über-Serie aus den USA hätte gefallen lassen müssen.

Simon Eberhard [ebe]

Aufgewachsen mit Indy, Bond und Bud Spencer, hatte Simon seine cineastische Erleuchtung als Teenager mit «Spiel mir das Lied vom Tod». Heute tingelt er durch Festivals und mag Krawallfilme genauso wie Artsy-Farts. Nur wenn jemand einen Film als «radikal» bezeichnet, rollt er genervt mit den Augen.

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