«Was zum Teufel läuft falsch mit dir, Ari Aster?!» Dies dürften nicht wenige nach dem Anschauen dieses Filmes denken. Nach seinem nervenzerfetzenden und ebenfalls nicht zurückhaltenden Hereditary hat der Amerikaner mit Midsommar nachgelegt. Dabei hat er einen sonnendurchflutenden Albtraum geschaffen, der einen ordentlich durchschüttelt und beweist, dass das furchteinflössende Debüt kein Zufall war.
War Hereditary mehr Familien-Drama als klassisches Jump-Scare-Fest, hat sich Aster bei dem gewählten Genre für seinen Neusten ebenfalls nicht gerade das beliebteste unter den Durchschnitt-Horrorfilmfans ausgewählt. Denn der Regisseur und Drehbuchautor sieht seinen Film als «Break-up Movie». Weiter weg als der Film mit Jennifer Aniston und Vince Vaughn könnte Midsommar jedoch nicht sein. Aster zeigt eine ungesunde Beziehung mit wenig Liebe, dafür aber voller Abhängigkeiten. Dass dies in die Brüche gehen wird, ist so klar wie die Tatsache, dass wohl nicht alle der US-Touristen wieder sicher nach Hause kommen werden. Denn schon mit der allerersten Einstellung und dem unheimlichen Soundteppich von Bobby Krlic aka «The Haxan Cloak» etabliert Aster eine Bedrohung, die sich durch den ganzen Film zieht.
Das ist umso mehr erstaunlich, da Midsommar zu fast 90 Prozent im Hellen spielt. Denn das besuchte Fest im Film findet im Norden von Schweden statt, wo die Sonne im Sommer auch in den späten Abendstunden immer noch scheint - gedreht wurde übrigens in Ungarn. Während in den meisten Horrorfilmen irgendwelche Teenies in der Nacht dunkle Gänge herunterschleichen, ist hier alles scheinbar immer sichtbar. Doch trotzdem gibt es natürlich Verborgenes, das es für die Protagonisten und die Zuschauer zu entdecken gibt und man so deshalb gespannt dranbleibt.
Wer keine Neugierde aufbringen kann, wird es schwer haben. Dies ist ein Film, auf den man sich komplett einlassen muss. Die Themen sind schwer, gewisse Sequenzen aufgrund ihres Gewaltgrades fast nicht aushaltbar und das Gefühl der Machtlosigkeit kann einen fertig machen. Einige Sachen sind jedoch unfreiwillig komisch, und warum die Figuren nicht mit Nachdruck versuchen, dem Ganzen zu entfliehen, ist ebenfalls etwas seltsam. Zudem ist das Ende gewöhnungsbedürftig. Doch ruft man sich Asters Worte in den Sinn, dass wir hier einen Film über das Ende einer Beziehung schauen, ist es konsequent und so machen die letzten Minuten auf eine kranke Art und Weise durchaus Sinn. Florence Pugh in der Rolle der labilen Dani ist den ganzen Film durch grossartig, lässt einen die Verlorenheit ihrer Figur spüren und hat einen grossen Anteil am Gelingen des Ganzen.
Midsommar wird heftige Reaktionen auslösen und einige dazu bringen, das Kino vor dem Abspann zu verlassen. Alle anderen werden einen Trip erleben, den sie so schnell nicht vergessen und über das Gesehene noch lange diskutieren werden. Wir meinen: «Was zum Teufel läuft falsch mit dir, Ari Aster und wann lässt du uns wieder in deinen abgefuckten und brillanten Kopf blicken?!»