Diese Erfolgsgeschichte ist ein modernes Märchen sondergleichen: 2011 mit Intouchables hervorragend, 2015 mit Samba tragisch-ergreifend und 2017 mit Le sens de la fête solide, sind die beiden Ausnahmetalente Olivier Nakache und Éric Toledano zurück mit ihrem neusten Film: Hors Normes. Die beiden haben sich dafür erneut eine schwierige, schwer zugängliche Thematik ausgewählt. Heuer beschäftigen sich die zwei Herren mit Kindern mit Autismus. Sie inszenieren um dieses unbequeme Thema eine Tragikomödie, dessen Titel gleichsam das Filmerlebnis vorwegnimmt: aussergewöhnlich!
Hors Normes enthält alles, was eine Tragikomödie braucht. Der Film schafft es, die Zuschauer im Innersten ihrer Herzen zu berühren und geht zugleich äusserst einfühlsam mit der gesellschaftlich schwierigen Thematik des Autismus um. Glücklicherweise wurde daraus kein niederschlagender Film, da nicht zuletzt die mit dieser Entwicklungsstörung einhergende Alltagskomik ohne Vorbehalt ausgespielt wird.
Dennoch handelt es sich bei dieser Komödie um eine filmische Anklageschrift zulasten der Gesellschaft und sie stellt den staatlich zur Verfügung gestellten Strukturen und Angebote für Menschen mit besonderen Bedürfnissen ein schlechtes Zeugnis aus. Das Verdikt über Menschen mit Beeinträchtigung (und insbesondere mit Autismus) lautet leider auch heute noch: Untragbar für Familien und Institutionen. So landen diese in geschlossenen, oftmals psychiatrischen Einrichtungen, wo sie mit Medikamenten sediert oder Zwangsmassnahmen ruhig gestellt werden. Die beiden Regisseure wollen hier auf diese Missstände sowie auf komplizierte Regelungen und uneinsichtige Behörden aufmerksam machen.
Dies tun sie auf eine sehr sensible Art und Weise, indem sie gleich zwei gesellschaftlich relevante Themen miteinander verknüpfen: Nicht nur führen die Protagonisten eine staatlich nicht anerkannte Institution für andernorts abgewiesene Personen mit schwerem Autismus, sondern sie stellen zu deren Betreuung auch Jugendliche ein, welche mangels Lebensperspektive vor einem Abgrund stehen und dank ihrer Anstellung neue Hoffnung schöpfen können.
Die beiden Hauptdarsteller Vincent Cassel und Reda Kateb tragen diese Geschichte auf den Schultern ihrer einfühlsamen Charaktere, welche sich nicht durch staatliche Richtlinien, sondern durch ihr Herz leiten lassen. Auch die Laiendarsteller, die in diesem Film zum Zug kommen, überzeugen auf ganzer Linie, sodass Hors Normes eine ausgezeichnete Besetzung aufweist. Die ganze emotionale Bandbreite wird hier angesprochen, ohne dass es je künstlich wirken würde. All das gepaart mit der Kritik am französischen Sozialsystem und dem überzeugten Statement zur Dezentralisierung der Betreuungsstätten (weg von riesigen, hospitalesken Institutionen und hin zu kleinen, betreuten Wohngruppen) macht Hors Normes zu ganz grossem Kino!