In The Burnt Orange Heresy von Regisseur Giuseppe Capotondi (The Double Hour) dreht sich vieles um Kunst und Kritik. Ist wirklich alles Kunst? Wird Kunst erst von Kritikern und ihren Interpretationen zu Kunst gemacht, oder zerstören solche Analysen und Betrachtungsweisen eher die künstlerische Freiheit oder gar die Kunst selbst? Neben einem ziemlich hanebüchenen, aber dennoch unterhaltsamen Thriller-Plot mit durchwachsenen Wendungen sind es diese Themen, die den Abschlussfilm am 76. Filmfestival in Venedig sehenswert machen.
Die zweite Regiearbeit des Italieners basiert auf dem 1971 erschienenen Roman "Ketzerei in Orange" von Charles Willeford und ist im Genre des Neo-Noir-Thrillers anzusiedeln, auch wenn vom Noir-Teil nur wenig zu sehen ist. Während die Romanvorlage in den Siebzigerjahren angelegt war, spielt sich Capotondis Geschichte zu einem etwas späteren Zeitpunkt ab. Ein viel schwerwiegender Unterschied zum Roman ist aber die schlecht oder gar nicht durchleuchtete Hintergrundstory der Hauptfigur. Dem ausdrucksstarken Kunstkritiker James Figueras werden zwar interessante Sätze in den Mund gelegt, doch anstatt ihn wie im Roman aufgrund seiner finanziellen Notlage und berechtigten Existenzangst zum Anti-Helden aufzubauen, wird er hier zum von Gier und Erfolg gesteuerten, klischeetriefenden Schema-F-Bösewicht, der im Showdown dann komplett den Verstand verliert und von Aktion zu Aktion lächerlicher wird.
Claes Bang, der den Kunstkritiker mimt, kann die Figur schliesslich auch nicht mehr retten. Er zeigt zwar eine überzeugende Performance, trumpft ganz zu Beginn sogar richtig auf, aber die schwache Charakterzeichnung vergönnt ihm einen ähnlichen Erfolg wie bei The Square. Elizabeth Debicki (Widows) und Donald Sutherland (The Hunger Games) gehört die wohl beste Szene des Films, und Mick Jagger (ja, der Rolling Stones-Papi) feiert als schrulliger Sammler Cassidy ein sehr unterhaltsames Comeback.
Nein, The Burnt Orange Heresy ist kein schlechter Film. Die kunstreichen Dialoge und die interessanten Themen, die der Regisseur in seinen Thriller packt, hätten aber weit mehr hergegeben als der nicht vor grosser Kunst strotzende Plot. Auch wenn Capotondis zweiter Film bis zum Ende unterhält, fehlt ihm der Tiefgang der Romanvorlage und ist so eher was für Kunstfilmbanausen.