Laplace's Witch - Rapurasu no majo (2018)

Laplace's Witch - Rapurasu no majo (2018)

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  2. 115 Minuten

Filmkritik: Takashi Miike-Film No.376

18. Neuchatel International Fantastic Film Festival 2018
Wasn hier los?
Wasn hier los? © Studio / Producer

Zwei Leichen werden jeweils in der Nähe heisser Quellen gefunden, jedoch in ganz unterschiedlichen Regionen Japans. Die Todesursachen ist bei beiden scheinbar dieselbe: Suizid durch Schwefelwasserstoff. Nur ein dummer Zufall oder doch Mord? Bei der Aufklärung der genauen Ursache fordert die Polizei Hilfe beim Chemieprofessor Shusuke Aoe (Sho Sakurai) an. Dieser stellt bald fest, dass mehr hinter dem Fall stecken muss als anfänglich gedacht.

Sein Verdacht wird erhärtet, als plötzlich eine mysteriöse junge Frau namens Madoka Uhara (Suzu Hirose) auftaucht, die mehr über die Leichen zu wissen scheint und einen vermissten Freund sucht. Sie selbst scheint besondere Fähigkeiten zu besitzen und nennt sich selbst «Laplace's Witch». Nach und nach findet Aoe heraus, was die beiden Opfer - einen Filmproduzenten und einen Schauspieler - verband. Und Madoka scheint nicht als einzige ihrer Art mit einer wundersamen Begabung ausgestattet zu sein.

Ein Thriller sollte primär spannungsgeladen daherkommen - eine Eigenschaft, die für das Genre unabdingbar scheint. Dem japanischen Enfant Terrible Takashi Miike gelingt es, einen Kriminalfilm vorzulegen, der sich genau dieser Eigenschaft entzieht: Laplace's Witch ist einfach schlecht inszeniert, driftet ins Übernatürliche ab, ohne dabei gross Erklärungen dafür bereitzuhalten. So wirkt das Ganze sehr schnell langatmig und lachhaft. Eine übermotivierte Pseudo-Dimension inklusive Mondbogen - einem Regenbogen um den Mond - trägt ihren Teil dazu bei.

Es vergeht kein Jahr ohne nicht mindestens einen neuen Film von Takashi Miike. Das Schaffen des Regisseurs verkommt langsam aber sicher zur industriellen Grossproduktion. Anders lässt sich die Pace des Japaners kaum noch erklären. Waren es letztes Jahr Blade Of The Immortal und Jojo's Bizarre Adventure, präsentiert er uns 2018 bereits Laplace's Witch. Und es darf schwer davon ausgegangen werden, dass es nicht sein letztes Projekt im Produktionsjahr 2018 geblieben sein dürfte. Mit Laplace's Witch wagt sich Miike an eine literarische Vorlage der männlichen japanischen Agatha Christie: Keigo Higashino. Dieser scheint ebenso geschäftig wie sein Regie-Kollege zu sein, sein Oeuvre steht der Filmographie Miikes in beinahe nichts nach.

Dass Quantität aber nicht alles ist und sich der Kultregisseur, der für manch kontroverse Szene sorgte (Ichi The Killer, Visitor Q), eventuell seine Aufträge etwas sorgfältiger aussuchen sollte, dies beweist er uns mit diesem Hexen-Krimi. Laplace's Witch ist kein Takashi-Miike-Film mehr. Dem Streifen fehlen jegliche kreative Ansätze, die absurden Ideen und die skurrilen Charaktere, die zwar zuweilen Miikes geistige Zurechnungsfähigkeit anzweifeln liessen, die jedoch auch sein Markenzeichen waren, für das ihn seine Fans liebten. Doch das hier ist nur noch eine Farce. Der Film ist zu keiner der knappen 120 Minuten Laufzeit spannend. Es passt eigentlich überhaupt nichts zusammen.

Da wären Charaktere, die nicht eingeführt werden und für die Zuschauer völlig belanglos bleiben. Dies trotz einer Masse an Dialogen, die für drei Spielfilme reichen würden. Die Rollen sind schwach besetzt, der Professor gleicht optisch eher einem Zweitsemester-Studenten und agiert zuweilen hilflos. Die «Witch» Madoka Uhara vermag ebensowenig zu überzeugen. Insgesamt würde der Cast wohl - zumindest optisch - als J-Pop-Gruppe durchgehen. Die Schauspieler vermögen den bereits platt wirkenden Charakteren keine zusätzliche Tiefe zu verleihen. Allgemein wirkt alles sehr oberflächlich und kaum ausgearbeitet. Einzelne Szenen werden auf Überlänge gedehnt, und das Ende wird x-mal herausgezögert. So wünscht man sich als Zuschauer phasenweise nur noch, dass Szenen doch bitte endlich enden mögen, weil sie dermassen belanglos daherziehen.

Wo bleiben die kranken Charaktere, die widerlichen Szenen, wie wir sie von Miike kennen? Klar, eine gewisse Mässigung hat stattgefunden in den letzten Jahren. Dennoch fiel Miike noch immer mit heftigen Gewaltdarstellungen und interessanten Charakterstudien auf. Hier aber wirkt es, als hätte er überhaupt keine Lust mehr am Filmemachen. Als seien ihm die dargestellten Menschen egal. Als wolle er keine Entwicklung sehen. Es wirkt sogar so, als habe Miike den Auftrag nur des Geldes wegen angenommen. Keine Provokation mehr, keine Kontroverse, dafür ein schnell und schluderig erzählter Krimi, der nie spannend ist. Auch die Auflösung lässt zu wünschen übrig. Schade, er könnte es doch um einiges besser!

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

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