The Quietude - La quietud (2018)

The Quietude - La quietud (2018)

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Filmkritik: Geschwisterliebe - Geschwistertriebe

75. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica 2018
Inzest-Fest?
Inzest-Fest? © Studio / Produzent

Nach dem Schlaganfall ihres Vaters kehrt Eugenia (Bérénice Bejo) auf "La quietud" zurück, die schicke Hacienda ihrer Familie in Argentinien. Dort trifft sie erstmals seit langer Zeit auf ihre Schwester Mia (Martina Gusman), zu der sie in ihrer Jugend eine innige, gar intime Beziehung hatte. Zur Familienzusammenkunft gesellen sich auch noch Eugenias Mann Vincent (Edgar Ramirez) und der Familienanwalt Esteban, denn es scheint, als gebe es aus der Vergangenheit des Vaters noch einiges aufzuklären.

Eugenia wird zudem klar, wie distanziert die Verhältnisse zwischen ihrer geliebten Schwester und Mutter Esmeralda zu sein scheinen. So versucht die Familie ihre Wunden zu heilen und wieder zueinander zu finden, während sie sich auf den Abschied ihres im Koma liegenden Oberhauptes vorbereiten muss. Ein Abschied, der unaufhaltbar scheint und noch viele Geheimnisse ans Licht bringen dürfte.

Als sich zu Beginn des Filmes die beiden Schwestern lasziv auf dem Bett räkeln, ahnt man noch nicht, dass La quietud auf eine melodramatische Seifenoper hinausläuft, bei der so ziemlich jede mit jedem geschlafen, gestritten und gelitten hat. Das ist zu viel Drama für zwei Stunden, auch wenn der gesamte Cast viele grosse Emotionen durchspielen und damit sein Talent beweisen kann. Ein süffiger Sommerfilm, der aber unter seiner eigenen Last in sich zusammenbricht.

Schöne Menschen tun in einem schönen Haus schöne Dinge miteinander. So beginnt der neue Film des Argentiniers Pablo Trapero (El Clan) nicht unähnlich einem reisserischen Erotikthriller der Neunzigerjahre mit einem lasziven Geschwisterpaar, das nur einer Männerphantasie entsprungen sein kann. Doch schon bald ändert der Film seine Gangart zum ähnlich belächelten Genre des Melodramas, oder der Schmonzette. Akzeptiert man dies als Zuschauer, kann man durchaus seinen Spass haben mit La quietud.

Mit Bérénice Bejo und Martina Gusman hat Trapero zwei Frauen gecastet, die verblüffend gut als Geschwister durchgehen und auch noch starke Schauspielerinnen sind. Sie legen sich richtig in ihre überzeichneten Rollen hinein - ganz ohne Ironie. Anders Graciela Borges in der Rolle der verzweifelten Mutter Esmeralda. Die Seifenopern-Veteranin lässt in ihrer lauten Performance durchblitzen, dass sie die Angelegenheit nicht ganz so ernst nimmt wie ihre Mitakteurinnen und wirkt somit in gewissen Szenen wie ein irritierender Fremdkörper.

Optisch schafft es der Film, die sowohl inhaltlich als auch geographisch bedingte Hitze ästhetisch einzufangen und unterstreicht die schwüle Atmosphäre mit einer passenden Songauswahl. Der Subplot um die kriminellen Machenschaften des Vaters gewinnt zu spät in der Handlung an Wichtigkeit und wirkt nicht ganz fertiggedacht. Er ist ein Mittel zum Zweck, in den letzten Szenen die Dramatik noch mehr auf die Spitze zu treiben, wo dann eindeutig der letzte Goodwill weichen muss, den sich der Film doch noch erarbeitet hat.

Marco Albini [ma]

2003 verfasste Marco seine erste Kritik auf OutNow und ist heute vor allem als Co-Moderator des OutCast tätig. Der leidenschaftliche «Star Wars»-Fan aus Basel gräbt gerne obskure Genrefilme aus, aber Komödien sind ihm ein Gräuel.

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