Das "Peterloo-Massaker" jährt sich 2019 zum 200. Mal. Zwar ein gewichtiger Aspekt der englischen Geschichte, waren die Vorgänge nicht immer präsent im Bewusstsein der englischen Nation, geschweige denn im Ausland. Doch als Mahnmal und schwelgerischer Kostümfilm ist es ein gefundenes Fressen für den immer schon sozialkritischen Mike Leigh.
Es wirkt fast schon dokumentarisch, wie man hier am Leben der Unterschicht teilhaben kann. Die Webmaschinen rattern und die "Orators" schmettern ihre Reden. Pies werden gebacken und gegen Eier getauscht. Arme Frauen singen Klagelieder. Am Originalschauplatz Manchester konnten Leigh und sein Kameramann Dick Pope zwar nicht mehr drehen, aber der Beginn des 19. Jahrhunderts wird trotzdem gekonnt wiederbelebt.
Die Grenzen zwischen Goodies und Baddies sind bei der Figurenzeichnung aber klar abgesteckt: Selbstgerechte Monarchen, keifende Magistraten, unfaire Richter auf der einen, das sich abrackernde gemeine Lumpenvolk auf der anderen Seite. Ein ganzer Reigen von Figuren taucht auf und wieder ab bei diesem überlangen Film, und Leigh gibt ihnen die Rolle, die sie beim Unglück spielten. Nur einen Hauptakteur scheint es nicht zu brauchen.
Etwas Spioniererei und abgefangene Briefe sollen Spannung in die Story bringen, bei der man weiss, wie sie ausgeht. Die Kostüme der mehrfach Bafta- und Oscar-nominierten Jacqueline Durran sind gediegen. Der Verständnisgräben zwischen Unterschicht und den oberen Zehntausend ist historisch verbürgt. Die geschwungenen Fahnen sind akkurat genäht und die Musikinstrumente zeitgenössisch. Und doch stellt sich die Frage, was uns die Toten von vor zwei Jahrhunderten heute noch kümmern sollen.
Natürlich: Auch Zeitungen wie "The Guardian" hatten ihren Ursprung zu der Zeit - gleich drei Journalisten wohnten dem Massker bei. Und demokratische Mitsprache für alle, inklusive der Frauen, ist und war ein Gut, für das sich zu kämpfen lohnt. Peterloos "Living history" wird aber vor allem Geschichtslehrer auf der Suche sind nach Pep im Unterricht beschäftigen, die damit ihre Schüler noch lange quälen können. Und weniger Mike-Leigh-Fans auf der Suche nach seinem besten Film.