Matangi/Maya/M.I.A. (2018)

Matangi/Maya/M.I.A. (2018)

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  3. 96 Minuten

Filmkritik: Oh-oh, you're in trouble!

14. Zurich Film Festival 2018
Maya am Mic.
Maya am Mic. © Studio / Produzent

Matangi wird in England geboren. Ihre Eltern aber kommen aus Sri Lanka, wohin sie mit ihr auch zurückkehren, als sie noch ein Baby ist. Ihr Vater wird später die LTTE gründen - die zu den Tamil Tigers werden wird - und während der ersten neun Jahre der Kindheit Matangis politisch aktiv sein, ohne Zeit für die Familie aufwenden zu können.

Trouble-maker
Trouble-maker © Studio / Produzent

Die Mutter flüchtet mit Matangi und ihren Geschwistern nach England, wo Matangi/Maya Kunst und Film studiert. Sie trifft auf die Frontfrau der Band Elastica, durch die sie ans Showbusiness herangeführt wird. Sie beginnt, selbst Musik zu machen, ein Mix aus Rap, Pop und Electro, und nennt sich fortan M.I.A. Das politische Engagement ihres Vaters wird für sie zur Bürde, vor allem, da sie sich selbst politisch äussert und diverse Kontroversen auslöst.

M.I.A nennt sie sich, was für "Missing in Action" steht. Wer hinter dem Pseudonym steht, deutete uns Maya über die Jahre stets an, politische Aussagen und Engagements waren für sie nicht unüblich. Matangi/Maya/M.I.A. gibt uns nun ganz persönliche Einblicke in die bewegte Familiengeschichte der Künstlerin. Statt um die Musik geht es um politisch motivierten Genozid, Flüchtlinge und Unterdrückung. Inszeniert ist dies recht eigenwillig, was das Wesentliche an Aussagen verschwimmen lässt.

M.I.A ist bestimmt kein Kind von Traurigkeit und bekannt dafür, öffentliche Kontroversen zu provozieren. Der in die Kamera gestreckte - und millionenfach gesehene - Mittelfinger beim Superbowl 2012 bildete dabei nur die Spitze des Eisberges. Durch diverse Videoclips mit gesellschaftskritischen, brutalen Szenen oder Geräuschen (wie "Paper Planes" oder "Born Free") tat und tut die Britin mit Wurzeln in Sri Lanka ihren Unmut kund. Dabei klagt sie den Genozid in Sri Lanka durch die Regierung, Rassismus und die unterentwickelten Rechte der Frauen an.

Ihr langjähriger Studienkollege Steve Loveridge präsentiert nun eine Dokumentation über die Rapperin. Dabei stellt sich die Frage: Über wen genau dreht er die Dokumentation? Über Matangi, wie sie ursprünglich heisst und von ihrer Familie genannt wird? Über Maya, so die britische Kurzform, und somit das Leben von ihr in England? Oder dreht er eine Dokumentation über die international renommierte Künstlerin M.I.A.? Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, sämtliche Aspekte und Facetten von Matangis Leben werden gezeigt. Matangi/Maya/M.I.A. ist ein heilloses Durcheinander von Aufnahmen und Ideen. Ein reines Musiker-Biopic ist es nicht geworden, eigentlich logisch, dafür ist Maya zu intelligent. Sie kann noch lange singen "I'm popular", wir wissen stets, dass sie uns mehr zu sagen hat als manch anderer Popstar.

Hier werden diverse Aufnahmen aus dem privaten Archiv verwendet - von anno 1990, die Aufnahmequalität lässt grüssen -, der Fokus liegt dabei aber nie auf der Musik. Einige Tracks werden kurz angespielt, einige Konzertaufnahmen sind zu sehen. Loveridge zeigt uns den Hintergrund, die Person hinter dem Star, das als Flüchtling nach England gekommene Mädchen, dessen Vater massgeblich an den tamilischen Widerstandskämpfen beteiligt war. Und er zeigt die Frau, die sich einsetzt für die tamilische Bevölkerung Sri Lankas und gleichzeitig angeklagt wurde, sie unterstütze Terrorismus. Starke Standpunkte, nur in der Umsetzung läuft es schief: Die Story springt hin und her, verschiedene Ereignisse werden asynchron aneinandergereiht: Erst sind wir in der Kindheit, dann im Jahr 2016, dann wieder 2004 in Indien und dann 2001 in Sri Lanka.

Es fällt schwer, hier zu folgen und den Fokus zu halten, die Wechsel zwischen Maya als Mutter, Maya als Tochter eines Aufständischen und Maya als Künstlerin sind rasant. Eines muss man der Dokumentation jedoch lassen: Sie ist grundehrlich und beschönigt nichts. Und sie zeigt eine interessante Persönlichkeit auf höchst essayistische, narrativ spiralförmige Art und Weise. Wer mehr über Maya als Persönlichkeit erfahren möchte und an intimen Einblicken in ihr Privatleben interessiert ist, für den lohnt sich Matangi/Maya/M.I.A. sicherlich.

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

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