Gloria Bell (2018)

Gloria Bell (2018)

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  3. 102 Minuten

Filmkritik: Laura Branigan statt Umberto Tozzi

43rd Toronto International Film Festival
«Einen nehm' ich noch.»
«Einen nehm' ich noch.» © Ascot Elite

Das Leben war bisher nicht immer fair mit der geschiedenen Mittfünzigerin Gloria (Julianne Moore). Ihr Bürojob erfüllt sie nicht wirklich und sie hat Mühe, ihre beiden erwachsenen Kinder (Michael Cera und Caren Pistorius) zu erreichen, geschweige denn zu sehen. Doch Gloria lässt sich davon nicht herunterziehen. Sie geht mit Freude weiterhin gerne in die Single-Clubs von L.A., tanzt und singt sich die Sorgen weg und trifft natürlich auch immer mal wieder auf Männer. An einem solchen Abend trifft sie auf Arnold (John Turturro), der seit kurzem ebenfalls geschieden ist.

Die beiden verstehen sich und beginnen vermehrt auch am Tag Zeit miteinander zu verbringen. Hat Gloria hier etwa ihr spätes Glück gefunden? Doch immer wieder ziehen Wolken auf über der Beziehung zwischen den beiden. Seine Ex und seine beiden Töchter versuchen ihn die ganze Zeit telefonisch zu erreichen. Als Gloria Arnold eines Abends ihrer Familie inklusive Ex-Mann vorstellt, verschwindet der Neue einfach noch während des Abendessens und ist nicht mehr zu erreichen…

Der chilenische Regisseur Sebastián Lelio hat seinen Film Gloria fast zu 1:1 neu gedreht - jetzt einfach auf englisch, weshalb auch Laura Branigans Version des Songes «Gloria» zum Zug kommt. Dank der Performance von Julianne Moore ist aber auch diese Version sehenswert, da die Oscarpreisträgerin diese überaus sympathische Heldin mit einer unglaublichen Wärme spielt.

Regisseure, die ihre eigenen, nicht-englischsprachigen Originalfilme für den amerikanischen Markt neu drehen, gibt es einige. George Sluizer drehte zweimal The Vanishing, Takashi Shimizu brachte seinen The Grudge den Amis etwas näher, Ken Scott machte aus Starbuck Delivery Man und Michael Haneke liess 2007 nochmals Funny Games spielen.

Zu dieser Gruppe ist nun Sebastián Lelio hinzugestossen, der mit Una Mujer Fantástica 2018 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film holte. Das Transgender-Drama wurde jedoch (noch) nicht für ein Remake auserkorken, sondern Lelios lebensbejahender Hitfilm Gloria, den in der Schweiz über 30'000 Kinobesucher sehen wollten. Ob diese sich die US-Neuauflage Gloria Bell anschauen werden, müssen die Betroffenen selbst entscheiden. Wir finden aber, dass alleine Hauptdarstellerin Julianne Moore dieses Remake sehenswert macht.

Der Plot wurde nicht sonderlich verbogen, er folgt fast Schritt auf Schritt dem Original. Auch hier hat der Lover der Protagonistin eine Paintball-Arena und ebenfalls geht es zur versuchten Versöhnung in ein Spielparadies. Logischerweise verwendet dieser Film aber nicht Umberto Tozzis Song «Gloria», sondern es schallt hier die Version von Laura Branigan durch die Boxen.

Mag die Geschichte also Kenner des Originals nicht zu überraschen, lässt einen auch hier die sympathische Hauptfigur, die sich nicht unterkriegen lässt, dranbleiben. Der Zuschauer folgt ihr auf Schritt und Tritt und nimmt dabei ausschliesslich ihre Sichtweise ein. Wenn Arnold auch nach dem fünfzigsten Telefonanruf immer noch nicht abnimmt, dann wissen wir wie Gloria nicht, weshalb dem so ist. Gut ist Gloria eine solch lebensnahe, aufgestellt wirkende, aber nie nervige Figur, der man gerne 102 Minuten bei ihrer Suche nach dem Glück über die Schulter schaut. Moore spielt Gloria mit viel Feingefühl und einer Wärme, die berührt. John Turturro spielt als Lover ein fast schon bemitleidenswertes Würstchen. Sein Arnold wird aber auch durch Turturros Spiel nie zur kompletten Witzfigur. In einer Nebenrolle als Mutter von Gloria ist übrigens Holland Taylor zu sehen, die man als Mami vom coolen Onkel Charlie kennt.

Die gut gezeichneten Figuren, die Situationskomik und der tolle Soundtrack (Bonnie Tyler, Paul McCartney, Olivia Newton-John) ergeben so einen richtig gmögigen Film mit einer starken Heldin, an den man sich noch eine Weile mit einem Lächeln zurückerinnert.

Chris Schelb [crs]

Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.

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