Die von Autor Stieg Larsson erdachte Hackerin Lisbeth Salander wurde nach dem Erscheinen der Bücher und der Filme wie eine Art Superheldin gefeiert. Das ist naheliegend: Die Figur setzt sich mutig für die Unterdrückten ein und geht mit ihren Gegnern gar nicht zimperlich um. Mit ihrer Cleverness und den Fähigkeiten am Laptop scheint sie ihren Widersachern immer einen Schritt voraus zu sein. Während Salander jedoch in den bisherigen vier Filmen immer recht gut auf dem Realitätsboden gehalten wurde, wirft das Team hinter The Girl in the Spider's Web diesen Vorsatz über Bord: In dieser Geschichte wird aus dem Mädchen mit dem Drachen-Tattoo die Superheldin "Dragon-Tattoo-Girl", wobei weder Logik noch gross Plausibilität zählen.
Das ist jedoch nicht unbedingt schlecht, was Regisseur Fede Alvarez (Don't Breathe) in seiner Romanverfilmung veranstaltet - er distanziert sich auch so von The Girl with the Dragon Tattoo, was ja auch der Sinn eines solchen Reboots (weder David Fincher, Daniel Craig noch Rooney Mara sind hier dabei) ist. Als Vorlage dient kein Roman mehr von Larsson: Der Schwede starb 2004, wobei seine Millennium-Trilogie erst postum veröffentlicht wurden. Weitergeführt wurde die Reihe von David Lagercrantz, dessen erstes Millennium-Buch hierfür hinzugezogen wurde. Alvaraz machte daraus einen gradlinigen Action-Thriller mit 007-Anleihen, was Bösewicht und Plot betrifft, in dem Claire Foy in der Rolle der Heldin eine sensationell gute Figur abgibt. Schade, dass ihre Lisbeth durch ihre unmöglichen Hackerfähigkeiten auch mal unglaubwürdig wird. Eine Flughafenszene ist in dieser Beziehung fast schon lustig.
Während man Foy vor allem nur loben kann, muss hingegen der Part des Journalisten Mikael Blomkvist ernsthaft hinterfragt werden. Denn die von dem Schweden Sverrir Gudnason gespielte Figur ist komplett unnütz und ist nur im Film, weil sie in den bisherigen Büchern auch vorkam. Alle Szenen mit ihm hätten gut gestrichen werden können - auf die eigentliche Story hat er kaum einen Einfluss. Ohne Blomkvist wäre auch mehr Platz für den von Lakeith Stanfield verkörperten NSA-Mann Edwin Needham gewesen, der neben den Hauptbösewichten auch Jagd auf Salander macht. Das potentielle "Lisbeth alleine gegen alle"-Szenario hätte zweifelsohne die Spannung angehoben.
Trotzdem ist The Girl in the Spider's Web ein gelungener neuer Teil, welcher Nummer zwei und drei der schwedischen Umsetzungen aufgrund seiner Inszenierung und cooler Actionszenen locker hinter sich lässt. Man sollte jedoch nicht den Fehler machen und das Ganze mit Finchers Werk vergleichen. Zu unterschiedlich sind die Filme. Wo der Se7en-Regisseur die Spannungsschraube kontinuierlich anzog, interessiert sich Alvarez vor allem aufs "Fürschimache" und opfert dafür die Zeichnung von gewissen Figuren. Doch am Ende ist sowieso nur eine wichtig. Es ist dies hier die grosse Lisbeth-Salander-Show und dank Claire Foy reicht dies für zwei Stunden rasante Unterhaltung.