Welch eine Wucht, die uns mit dem Erstlingswerk von Gustav Möller entgegenfährt! Der Regisseur erschafft eine atmosphärische Dichte, die sich über die gesamte Laufzeit zieht. Während der 85 Minuten ist The Guilty zu keiner Sekunde langweilig. Der Regisseur bezieht sich dabei auf Werke wie Locke oder Buried: Ein einziges Setting und ein einziger Charakter tragen den Film. Auf dem Polizeirevier sind durchaus Arbeitskollegen von Asgar anzutreffen, sie spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Ähnlich wie bei Locke spielt auch hier ein Telefon, respektive eine Telefonzentrale, eine wesentliche Rolle, das Setting bildet eine Polizei-Notrufzentrale in Kopenhagen. Der Protagonist verlässt das Setting nicht, er klärt einen Fall auf, von dem die Zuschauer nichts anderes als die Stimmen und Umgebungsgeräusche am Telefon zu hören bekommen. Die betroffenen Personen lernen wir nicht kennen, aus diversen Telefonaten erfahren wir Stück für Stück, in welcher Beziehung die Anrufenden zueinander stehen, wie der Fall verlaufen ist und weiterhin ablaufen wird. Das könnte nervenaufreibender nicht sein, mit jedem Telefonat wird der Fall komplizierter und facettenreicher. Dabei versucht Asgar nicht nur, mit dem Entführungsopfer Kontakt zu halten, sondern hat sich mit diversen Banalitäten seitens der Behörden herumzuschlagen, die den Fall - seiner Meinung nach - nicht genügend schnell vorantreiben.
Jakob Cedergren als Asgar erlangt eine wunderbare Leinwand-Präsenz in einer nicht einfach zu spielenden Rolle: Die Fähigkeit, seinem Charakter die Tiefe und Empathie zu verleihen, die es braucht, um die Spannung zu halten, ist schlicht grossartig. Es wird von Minute zu Minute spürbarer, wie sein Charakter innerlich zerbricht an dem Fall und dem Background, dem sich der Polizist wird stellen müssen. Totale Hilflosigkeit und Ausweglosigkeit widerspiegeln sich in emotionalen Ausbrüchen und Reaktionen, die für einen Polizisten nicht zur Professionalität der Arbeit gehören dürfen. Diverse Close-ups von Asgars Gesicht, des Head-Sets oder der Lampe, die anzeigt, dass seine Leitung besetzt ist, unterstreichen diese Nebelschwaden-dicke Atmosphäre.
Was nach einer Stunde folgt, schlägt dann ein wie ein Blitz: ein Plot-Twist, der die Zuschauer in einer empfindlichen Phase trifft und die Story um 180 Grad dreht. Kein Stein bleibt auf dem anderen, kein Auge trocken, spätestens an diesem Punkt wird bewusst, was Möller geschafft hat: einen Thriller mit absolutem Nervenkitzel, nicht aus der Sicht von Opfer oder Täter, sondern des Telefon-Notrufzentralen-Polizisten, der selbst kurz vor einer Gerichtsverhandlung steht.