Alan York weiss, wie man mit sinkendem Aufwand steigenden Ertrag auf vollkommen natürliche Weise bewirken kann: indem man natürliche Ökosysteme nachahmt. Diese regulieren sich selbst mittels ihrer Biodiversität. So ist sein Motto bald Grundsatz der Chesterschen Apricot Lane Farm: «Diversify, diversify, diversify, that is the link to the whole thing.» So wird das Land ökologisch aufgerüstet. Allmählich merkt man, wieviel Know-how weltweit verlorengegangen ist. Dutzende verschiedene Fruchtsorten, Gründüngung und eine Unmenge an Tieren hauchen dem völlig ausgetrockneten, mit Pestiziden getränkten und von Maschinen gebeutelten Boden wieder Leben ein. Die Kamera ist immer mit dabei, wenn etwas gesetzt wird, blüht oder sich regt. Fast schon wie eine animierte Slideshow kommt dann die Dokumentation aus diesem Utopia daher; aus rund 880'000 Clips wählten die Macher 90 Minuten Filmmaterial aus. Es gibt so viel zu zeigen!
Von einer Tagebuchstruktur geführt, reist man durch die Jahre des Aufbaus. Dieser erweist sich trotz der Fülle an Highlights, die sich den Farmern bietet, als eine archetypische Drama-Story. The Biggest Little Farm dokumentiert nicht nur, er erzählt auch von Freude, die in Leid, von Aufbruchsstimmung, die in Verzweiflung und Ratlosigkeit umschlägt. «Each day is for us terrifying and magically surprising», fasst John zusammen. Der Film ist in jeder Hinsicht von hohem pädagogischen Wert.
Der Weg der Farmer wird zunehmend beschwerlich; eine sogenannte Plage folgt auf die nächste. Doch während ein anderer schon längst zum Giftschrank gegriffen hätte, beharren Molly & John auf ihrem Grundsatz, die Natur arbeiten zu lassen, ihr so viel zurückzugeben, wie sie von ihr nehmen. Das Akzeptieren des «comfortable level of disharmony», das John als Axiom des ganzen Ökosystems betrachtet, führt sie an ihre Grenzen, aber auch zu neuen und fundamentalen Erkenntnissen, die schonungslos offenlegen, woran unser (Land-)Wirtschaftssystem krankt. Es ist kein Zufall, dass John für den ethischen und emotionalen Konflikt des Tötens von Tieren zur Verfütterung an den Menschen bislang keine Lösung gefunden hat.
Subtil wird auch die Leitfrage der Zivilisation umgedreht: Nicht mehr wird erörtert, wie viel Platz die Natur beim Menschen einnehmen kann, sondern wo der Platz des Menschen (notabene der grössten ‹Plage› zurzeit) in der Natur ist. Molly & John zeigen an ihrem Beispiel auch das gigantische Potenzial auf, das eine Symbiose von Mensch und Natur mit sich bringen kann. Um Negativbeispiele zu sehen, braucht man nur vor die Haustür zu schauen. So will man nicht mehr weg von dem Bauernhof, irreal scheint die Pracht der Apricot Lane Farm. Am Ende denkt man sich: «Das will ich auch haben!» Das ist dann auch die grösste Leistung dieses Films, dass er Mut und Hoffnung spendet und die Vision einer neuen alten Art Landwirtschaft zu betreiben zeigt, deren Stossrichtung unvermeidlich ist, soll uns dieser Planet weiterhin beherbergen.