Der russische Regisseur Andrey Zvyagintsev ist bekannt dafür, dass er gerne gegen sein Heimatland austeilt. In seinem oscarnominierten Epos Leviathan war das zentrale Thema die Korruption, gegen die der kleine Mann keine Chance hat. In Loveless zeichnet Zvyagintsev nun erneut ein Bild eines kalten Russlands, dem die eigenen Kinder egal sind und dies übel enden könnte.
Es ist vor allem das Bild des still weinenden Alyosha, welches auch nach dem Film in Erinnerung bleibt. In einer der ersten Szenen sehen wir, wie Mama und Papa über die Zukunft ihres Sohnes streiten, wobei auch eine Abschiebung ins Militär in Betracht gezogen wird. Dass der Junge dies alles mitbekommt, sehen wir erst am Ende dieser Sequenz. Es bricht das Herz. Trotzdem wäre es vor dessen Verschwinden wünschenswert gewesen, mehr Zeit mit dem Kind verbracht zu haben. Eine Verbindung mit ihm entsteht nur, weil er ein armes, unschuldiges Kind ist. Das funktioniert zwar, doch der Spannungsfaktor bei der Suche wäre noch höher gewesen, hätten wir den Jungen ein bisschen besser gekannt.
Zvyagintsev setzt auch wie bei seinen anderen Filmen auf lange Takes, die auch mal etwas länger dauern als nötig. Während man sich bei einigen Szenen den Schnitt herbeiwünscht, schaffen es andere, Ambiguität zu generieren. Ein Mann, der ein A4-Plakat über das Verschwinden von Alyosha sieht und dann langsam ins Dunkle verschwindet, eine Lehrerin, welche ihre Wandtafel putzt, worauf die Kamera langsam ans Fenster zoomt. Wissen die beiden etwas oder haben sie sogar mit dem Verschwinden des Jungen direkt zu tun? Diese Ungewissheit ist quälend.
Die Kritik an Russland ist derweil überdeutlich. Alyoshas Mutter (lies: Mütterchen Russland) ist kalt gegenüber jenen, denen sie Liebe zeigen sollte und zeichnet gegen aussen - in diesem Fall auf Instagram - ein schöneres Bild von sich selbst, als es in Wirklichkeit ist. Auch die Behörden werden in Loveless gnadenlos abgestraft. Die Polizei hilft nicht, also muss sich das Volk, hier eine Freiwilligenorganisation, selber helfen. Diese pessimistische Sicht zieht sich durch den ganzen Film und wird auch nochmals in einer der letzten Szenen überdeutlich, bei der es dem Zuschauer kalt den Rücken herunterläuft.
Loveless fehlt zwar die epische Story von Leviathan, doch was Zvyagintsev aus der einfachen Story alles im Subtext herausholt, ist beachtlich. Leichte Kost geht anders, aber aufwühlend und damit sehenswert ist das Ganze schon.