Cuori Puri (2017)

Cuori Puri (2017)

  1. 115 Minuten

Filmkritik: Wahre Liebe kann nicht warten

70e Festival de Cannes 2017
Kein Zaun kann sie trennen.
Kein Zaun kann sie trennen. © Xenix Filmdistribution GmbH

Agnese (Selene Caramazza) und Stefano (Simone Liberati) sind zwei junge Menschen, deren Wege sich eigentlich nicht kreuzen sollten. Sie ist gerade 18 geworden und Teil einer gottesfürchtigen Gemeinde, die den Sex vor der Ehe verachtet und von den Mitgliedern ein Keuschheitsgelübde einfordert. Er hat es mit 25 Jahren gerade mal zum Parkplatzwächter geschafft und passt im Problembezirk auf Autos aus, die sich neben einem Zigeunerlager befinden.

Mama knows not best
Mama knows not best © Xenix Filmdistribution GmbH

Ein verhinderter Ladendiebstahl bringt Agnese und Stefan erstmals zusammen. Die Anziehung ist gegenseitig, und bald schon treffen sich die beiden auch heimlich am Strand. Doch Agneses Mutter (Barbora Bobulova) darf von der Beziehung natürlich nichts erfahren. Und Agnese schwankt immer mehr zwischen ihrer Gottesfürchtigkeit und den hormonellen Turbulenzen ihres Körpers.

Cuori Puri, das Erstlingswerk von Roberto De Paolis, zeigt den Kampf der animalischen Körperlichkeit gegen den spirituellen Glauben. Ohne weder das Eine noch das Andere zu verdammen, nimmt man Teil am Schicksal zweier Menschen, die sich und ihren Platz in der Welt finden möchten, ohne äusserliche Zwänge aller Art. Und das geht am besten über das Herz.

Die christlichen Fundis in Cuori Puri betreiben ihre Seelenfängerei gar nicht mal so unschlau. Statt mit bösen Drohungen und Mahnfingern aller Art bezirzt Don Luca (Stefano Fresi) seine Schützlinge mit bedachter Wortwahl. Da werden die Pfade des Herrns auch mal mit einem Navigationsgerät verglichen, welches beim Abkommen vom Weg ja auch nicht laut rumflucht, sondern schlicht die Strecke neukalkuliert und einen doch wieder auf den richtige Weg nach Hause schickt. Mit Gott sei dies ganz ähnlich. Dumm nur, dass bei Agnese gerade die Hormone die Autobahn kapern.

Selene Caramazza, wie auch ihr Filmpartner Simone Liberati, sind beides frische Gesichter im italienischen Kino. Als Vorbereitung haben sie die Millieus, in denen sie sich im Film bewegen, selber besucht. Das sorgt für die nötige Authentizität in dieser Amour fou zweier Protagonisten mit unterschiedlichem Hintergrund. Durch das nahe Heranfahren der Kamera wirkt die Körperlichkeit des Darsteller-Paars noch intensiver und gewisse Szenen erreichen fast die Intimität des Oscar-Gewinners Moonlight.

Etwas gesucht sind die Nebenschauplätze - im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Zigeuner-Siedlung sorgt für soziale Spannungen im Quartier. Der Alltagsrassismus wirkt altbekannt und lenkt vom eigentlichen Thema des Films ab. Auch die Drogenhandel-Ausflüge hätten nicht unbedingt sein müssen. Dafür entschädigt ein offenes Ende für vorangehende Holprigkeiten.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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Trailer Italienisch, mit deutschen und französischen Untertitel, 02:14