Babak Anvari hat den Irak-Iran-Krieg als Kind miterlebt. Der heute in London lebende Regisseur betont zwar, dass der Film nicht autobiografisch sei, jedoch einige persönliche Elemente enthalte. In Interviews erzählt er, dass auch er nachts nicht schlafen konnte und Angst vor der Dunkelheit hatte. Die starke persönliche Motivation hinter seinem ersten Spielfilm sorgt für eine spürbare Authentizität. Während Under the Shadow in diesem Jahr auf dem Sundance Film Festival seine Premiere feierte, ist eine Aufführung in Anvaris Heimat, dem Iran, leider sehr unwahrscheinlich.
Zu Beginn erlebt man ein Drama über eine Frau, für die sich die Gesellschaft ihres Landes gerade zum Schlechteren wandelt. Anstatt ihren Traum, Ärztin zu werden, fortzusetzen, wird sie zurück in die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt. Man sieht an vielen Stellen die Offenheit, die die islamische Revolution langsam verdrängt. Shideh hatte vor ihrer Schwangerschaft bereits Medizin studiert, in ihrer modern eingerichteten Wohnung trägt sie kein Hijab und in ihrem Videorekorder befindet sich ein Aerobicvideo von Jane Fonda. Shideh ist eine selbstbewusste, starke Frau.
Ein Junge aus dem Haus, der seine Eltern verloren hat, erzählt Dorsa Gruselgeschichten über Dämonen und Geister. Die nächtlichen Bombardierungen auf die Stadt werden häufiger, Shideh wird von Albträumen geplagt und plötzlich verschwinden Gegenstände aus der Wohnung. Der Horror wird bewusst langsam aufgebaut, es ist ein schleichender Prozess, der dem Verhältnis zwischen Mutter und Kind zusetzt. Dabei sind weder die Grundidee der Geschichte noch die stilistischen Mittel, die Anvari einsetzt, neu, sie funktionieren allerdings innerhalb der beklemmenden Atmosphäre sehr gut. Es ist erstaunlich, was man alles mit Fensterscheiben und knallenden Türen inszenieren kann, ohne gänzlich auf Genrekonventionen zu verzichten.
Under the Shadow ist politischer Horrorfilm, er ist voller Symbole und bietet jede Menge Interpretationsansätze, die aber nicht alle wahrgenommen werden müssen. Die Schrecken des Krieges sind auch ohne Kenntnisse über die gesellschaftliche Lage im Iran greifbar. Am Ende ist es eine Mutter, die alles dafür tut, um ihr Kind zu beschützen. Vor einem Horror, der realer nicht sein könnte.