173 Minuten dauert das neuste Werk des gefeierten rumänischen Regisseurs Cristi Puiu, dessen Werke fast immer "ännet" der 150 Minuten waren. In Sieranevada zeigt er, wie eine Familie für eine Trauerfeier zusammenkommt und dabei über politische System, Untreue und 9/11 spricht. So spielt der Film mit ein paar Ausnahmen fast ausschliesslich in der Wohnung der Mutter und folgt den Familienmitgliedern in die verschiedenen Räume. Puiu filmte laut eigenen Aussagen die Geschehnisse so, wie wenn der verstorbene Vater dem Treiben zuschauen würde. Ein interessantes Konzept, doch der Film kann sich nicht des Verdachts erwehren, dass er zu oft während den fast drei Stunden einfach nur Blabla zu bieten hat - wie dies bei einem normalen Familientreffen ja meistens auch der Fall ist.
Solche "Familienfilme" gab es in der (Arthouse-)Vergangenheit schon öfters. Thomas Vinterberg drehte Festen, Mike Leigh Secrets and Lies und in August: Osage County gingen sich Julia Roberts und Meryl Streep (verbal) an die Gurgel. Worin sich Sieranevada gegenüber diesen Filmen unterscheidet, ist, dass es hier viele kleine Dramen, aber keinen Spannungsbogen gibt. Wie diese über ein Dutzend Figuren genau miteinander verwandt sind, wird nicht erklärt, und eine grosse Enthüllung, die wie ein Damoklesschwert über der Veranstaltung hängt, gibt es auch nicht wirklich.
Der Film könnte ein Abbild des heutigen Rumäniens sein oder auch ein Film über das Thema Familie selbst - filmische Beweise dafür gibt es genug. Aber wieso genau muss der Streifen dann 173 Minuten lang sein? Wenn der Sohn Sebi zum xten Mal Theorien zu 9/11 präsentiert, winkt man ab und hört nicht mehr zu. Dies ist wohl auch etwas, was viele während Familienfeiern machen würden. Filme sollten den Zuschauer aber fesseln und unterhalten. Hier wird der Zuschauer einfach nur berieselt. Dies ist zwar angenehm, dauert aber deutlich zu lange und ist viel zu schnell wieder vergessen. Dann doch lieber mal wieder zu Mama und Papa gehen.
Wer sich übrigens noch fragt, was es mit dem Titel Sieranevada auf sich hat: Regisseur Puiu war es leid, dass seine Filme aufgrund von Vermarktungszwecken jeweils auch einen französischen und englischen Titel erhielten. Aus diesem Grund hat er einfach bei "Sierra Nevada" ein "r" und einen Leerschlag entfernt. Der Titel sei damit international verwendbar. Eine tiefere Bedeutung gibt es nicht.