Der geilste Tag (2016)

Der geilste Tag (2016)

Filmkritik: Ins Jenseits aus Afrika

Ich bin ein Star, …
Ich bin ein Star, … © 2016 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.

Benno (Florian David Fitz) hat Narkolepsie. Das heisst, er schläft immer mal wieder unbewusst ein. Das hat er zwar schon sein Leben lang, nun stellt es sich aber als unheilbarer Hirntumor heraus. Er muss ins Hospiz und lernt dort den ebenso todkranken Andi (Matthias Schweighöfer) kennen. Als er sieht, dass die Sterbenden sich desöfteren Warenpakete liefern lassen, deren Inhalt am Ende keiner bezahlt, hat er die Idee, per Kredit an Geld zu kommen, um sich die verbleibende Lebenszeit zu verspassen. Ein Bankkredit ist trotz gutem Leumund von Andi die falsche Option, weshalb die beiden auf Kredit gekaufte Unterhaltungselektronik, Eheringe und Autos zu Geld machen. Das ergibt ein schönes Sümmchen, mit dem die Benno und Andi eine Reise in die Wärme planen. Sie entscheiden sich spontan für Kenia.

… holt mich hier raus!
… holt mich hier raus! © 2016 Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.

Das Ganze soll auch gefilmt werden und für YouTube-Fame sorgen. Schweigi ist nämlich schon länger wenig erfolgreicher Vlogger. Und so eine Verfilmung in Saus und Braus lebender Schwerkranker inklusive todesmutiger Fahrt im gelben Lamborghini generiert sicherlich mehr Klicks als das dröge Update seiner Gebrechen, das Andi sonst so gepostet hat. Höhepunkt der Bucket-Playlist soll das gemeinsame Ableben durch einen Kopfschuss werden - am Ende eines selbstbestimmten «geilsten» Tages. Doch Benno verschweigt Andi, dass er eine Tochter hat - mit einer Frau, die in Südafrika gerade zum zweiten Mal heiratet. Die möchte er unbedingt sehen, und deshalb überzeugt er Andi zu einer Busfahrt nach Kapstadt.

Nach Jesus liebt mich präsentiert der Schauspieler Florian David Fitz seine zweite Regiearbeit. Sein erstes Drehbuch war Vincent will Meer, der preisgekrönte Film über einen Mann mit Tourette-Syndrom auf Roadtrip. Auch in seinem neuesten Film präsentiert sich Fitz als Sentimentalist mit Flair für Aussenseiter mit «witzigen» Krankheiten. Er wirft sich sich aber auch den momentan angesagten Blockbuster-Produzenten an die Brust. Deshalb ist der Film flott erzählt, mit Schauwerten in Afrika, und trotz allem nicht zu klamaukig gemacht. Der geilste Tag wird aber auch mit Kitsch versehen, der nicht wirklich ans Herz geht. Die Story ist im Grunde an den Haaren herbeigezogen und nur ein Vorwand für die Afrika-Reise einer Filmcrew. Der geilste Film ist das nicht.

Florian David Fitz bedankt sich im Abspann bei Autor Bora Dagtekin (Fack ju Göhte) und der Produzentin Steffi Achermann (Doctor's Diary) für die Mithilfe beim Drehbuch bzw. im Schnitt. Deren Support ist spürbar. Mit Matthias Schweighöfer konnte er zudem den nach Til Schweiger zweitgrössen Kassengaranten Deutschlands für die zweite Hauptrolle gewinnen.

Der herzige Schnügel verhilft dem Film - anders als Fitz' letztes Werk - auch zu einem Schweizer-Kinostart; auch wenn mit Schufa, ADAC-Plus-Mitgliedschaft, und von Nazi-Sprache faszinierte Ferienflirts ziemlich deutsche Themen durchgenudelt werden. Man passt zudem auf, dass Schweighöfer nie so übel aussieht, dass er unsexy wirkt. Knuffig bleiben trotz Lungenfibrose ist die Devise. Knackfüdli bleibt Knackfüdli - auch wenn er eine ziemliche Knallcharge mit Nasenschlauch spielen muss. Kommerzielle Berechnung halt.

Doch trotz pinkelnder Grosskatzen und grossbusigen Krankenschwestern mit Ostakzent driftet der Film nicht vollends in den Klamauk. Natürlich kopiert man die Wohlfühl-Aura eines Schweiger-Werks. Der Soundtrack geht geschmeidig in die Gehörgänge. Und die Seitenhiebe auf den öffentlichen-rechtlichen Mainstream («Afrika sah im ZDF aber anders aus! - Du hast zuviel Traumschiff gesehen!») zielen ins Leere, weil der Film Afrika halt auch nicht authentischer zeigt als irgendwelcher Christine-Neubauer-Schrott. Der Kontinent ist Kulisse bis hin zum herzigen «Quotennegerli», das auch kurz im Bus mitfahren darf.

Alles in allem ist der Film ein durch und durch auf grösstmöglichen Kassenerfolg getrimmtes Produkt. Wenn da nicht Fitz seine Sentimentalitäten reinbringen möchte, die wie aus dem Drehbuch einer kleinspurigeren Produktion wirken. Ein Til Schweiger geht zum Sterben nicht aufs Dach. Ausserdem spielt eine halbe Pause (auf einer Halskette) ein Schlüsselelement auf dieser Ebene der Geschichte. Schweighöfers Figur hat von seinem Vater eingetrichtert bekommen, aus dem Leben mehr zu machen als Mozart in seinen Stücken in einem halben Takt Pause. Daraus spinnt Fitz die Geschichte eines kleinkriminellen armen Tropfs, der zum besseren Menschen wird. Da hat einer vielleicht doch zu viel Traumschiff gesehen. Und all die actionreichen Lamborghini-Rasereien, Polizei-Verfolgungsjagden und Kranfahrten in der südafrikanischen Wüste können nicht verbergen, dass es im Grunde die Geschichte eines Weicheis ist.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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