Wenn Elvis' einstiger Busenfreund Jerry Schilling als "Executive Producer" in einem Film über den King of Rock 'n' Roll wirkt, scheinen beschönigende Tendenzen vorprogrammiert. Doch das Team um die Produzenten sowie Regisseurin Liza Johnson bleibt erstaunlich neutral. Weitgehend hält sich der Film an die Faktenlage, das soziopolitische Kolorit der Siebzigerjahre dringt authentisch durch und, was dem Film einen besonderen Reiz verleiht, Elvis' bereits zu Lebzeiten verliehener Heiligenschein wird ganz und gar ausgeblendet.
Das mag zunächst verstörend wirken, denn Michael Shannon ist trotz anständiger schauspielerischer Leistung alles andere als ein Elvis. Null Ausstrahlung, null Sex-Appeal, null Elvis - Haarspray, Schlaghosen und Sonnenbrille machen eben noch nicht aus jedem eine Legende. Und man fragt sich: «Wegen dem sollen die Mädchen reihenweise umgefallen sein?» Oder: «Will man Elvis verballhornen?» Die Glaubwürdigkeit des Films droht Schiffbruch zu erleiden.
Doch je länger der Film dauert, desto mehr gewöhnt man sich an diese scheinbare Karikatur, und der Verfremdungseffekt zeigt Folgewirkung. Wohl haben wir hier einen Elvis vor uns, wie ehrlich und ungeschminkt er in noch keinem Film zuvor porträtiert wurde: Elvis, ein naiver, scheuer, ehrlicher Patriot mit einem seltsamen, aber wohl Amerika-typischen Fetisch für Waffen und Polizeimarken; Elvis, ein ganz gewöhnlicher Mensch, der mit Identitätsproblemen zu kämpfen hat und dem die Welt abhanden gekommen ist. «I'm just so tired of being Elvis Presley», soll er ein Jahr vor seinem Tod gesagt haben.
So absurd die Mechanismen des Showbusiness waren, so absurd scheint diese Geschichte. Elvis wendet sich von einer merkwürdigen Obsession getrieben «in matter of national security» an den Präsidenten Nixon, gespielt von Kevin Spacey, der seine begnadeten Imitationsfähigkeiten ausspielt und das Staatsoberhaupt wunderbar mimt.
Der Sänger macht sich Sorgen um die Jugend - ausgerechnet er, dem in den Fünfzigerjahren Volksverführung vorgeworfen wurde, was ihn schliesslich auf den Radar des FBI brachte. Er will als Spezialagent für das Betäubingsmittelamt arbeiten - ausgerechnet er, der fast sein Leben lang Drogen, Aufputschmittel und Medikamente in rauhen Mengen konsumierte. Sein Freund Schilling bemerkt hierzu: «Er hielt sich keinesfalls für süchtig. Er warf jeden hinaus, wenn herauskam, dass er auf der Tournee irgendwelche Strassendrogen nahm. Er war absolut gegen harte Drogen.»
Nicht zuletzt diese für Elvis' Leben fundamentale Doppelmoral führen zu urkomischen Szenen. Elvis & Nixon bietet gerade mit virtuos ausgespielter Situationskomik sehr gute Unterhaltung. Es hätte vielleicht nicht geschadet, dieses Gipfeltreffen biographisch etwas einzubetten. Doch die Eigenartigkeit dieses Ereignisses, das schliesslich zum beliebtesten Foto im amerikanischen Staatsarchiv geführt hat, einmal total isoliert zu betrachten, lässt in etwa so perplex zurück, wie es wohl das Weisse Haus am frühen Morgen des 21. Dezembers 1970 gewesen sein musste, als der grösste Entertainer der Geschichte vorfuhr und beim Präsidenten persönlich vorzusprechen verlangte.