Wenn die Rahmenhandlung eines Films darin besteht, der Hauptfigur beim Sterben zuzusehen, geht Spannung verloren. Dies ist natürlich nicht das einzige Wertungskriterium einer Biografie. Dennoch: Egon Schiele hatte in seinem Leben mit vielen Frauen zu tun, die für ihn wichtig waren. Durch den Beginn des Films mit seiner Rahmenhandlung wird vorweggenommen, welche Frauen letzten Endes eine zentrale Rolle gespielt haben. Daraus resultieren Einbussen der Spannung.
Doch vermutlich liegt dies im Interesse von Regisseur Dieter Berner. Möglicherweise möchte er nicht, dass sich der Film zu sehr mit Schiele und seiner Frauenauswahl beschäftigt. Andere Themen des Films taugen sowieso mehr als blosse Liebeleien. Ist es beispielsweise moralisch vertretbar, minderjährige Frauen als Aktmodelle zu gebrauchen? Was darf Kunst und wo hört sie auf? Selbst heute, ungefähr 100 Jahre nach Schieles Tod, haben wir immer noch keine konkrete Antwort auf diese Frage. Während Schiele dafür kritisiert wurde, Pornographie und keine Kunst zu machen, droht einer Nacktkünstlerin (Milo Moiré) heutzutage eine Gefängnisstrafe wegen Zurschaustellung der Geschlechtsteile an einem öffentlichen Ort. Der Film stellt somit die Frage nach dem Stellenwert von Kunst.
Dass ein solches Thema aufgegriffen wird, ist legitim. Leider lenkt Dieter Berner die Beantwortung der Frage zu sehr in eine Richtung. Dies vor allem durch gezielt eingesetzte Klavierstücke, die einen mit Schiele mitleiden lassen. Aber die Farben des Films sind bereits so düster und dunkel gewählt, dass der Soundtrack beinahe überflüssig, teilweise gar störend wirkt.
Umso passender wird dafür Schieles bekanntestes Werk "Tod und Mädchen" verknüpft. Im Film wird deutlich, wie viele seiner Musen gelitten haben, vor allem emotional. Aber auch in Schiele scheint etwas zu sterben, wenn sich eine Frau von ihm abwendet oder er sich von ihr abwenden muss. Und zu guter Letzt zeigt die Biografie auf, dass Schieles Leben eigentlich nur aus Mädchen und dem Tod bestand. Dies wird vor allem in der Rahmenhandlung deutlich. Während seine Ehefrau bereits gestorben ist, leidet er an der Spanischen Grippe. Es ist seine Schwester, die ihn bis zum Ende hin pflegt und bei ihm ist.
Egon Schiele: Tod und Mädchen ist somit ein gutes historisches Drama, das uns das Leben und die Gedanken Schieles näherbringt und den Stellenwert der Kunst infrage stellt.