Hinter den Wolken - Achter de wolken (2016)

Hinter den Wolken - Achter de wolken (2016)

  1. 108 Minuten

Filmkritik: Hämische, flämische Liebe

Neulich beim Amtsantritt des U.S.-Präsidenten
Neulich beim Amtsantritt des U.S.-Präsidenten © Cinejoy Movies GmbH. All rights reserved

An der Beerdigung ihres Ehemannes trifft Emma (Chris Lomme) auf Gerard (Jo De Meyere), einen Jugendfreund des Verstorbenen, den sie seit mehr als 50 Jahre nicht mehr gesehen hat. Damals waren die beiden ineinander verliebt, doch Emma entschied sich gegen ihn. Kurz nach der Trauerfeier kontaktiert Gerard die trauernde Witwe über Facebook und schlägt ein Date vor. Ihrer Tochter Jacky (Katelijne Verbeke) und ihrer aufgestellten Enkelin Evelien (Charlotte De Bruyne) erzählt sie vorerst nichts über das Treffen, welches nicht das letzte sein wird.

Nun steht er wieder völlig im Regen.
Nun steht er wieder völlig im Regen. © Cinejoy Movies GmbH. All rights reserved

Zwischen Emma und Gerard funkt es gewaltig und sie gehen eine Beziehung miteinander ein. Doch als Emmas Umfeld dann doch noch Wind davon bekommt, muss sie immer wieder zu hören bekommen, dass ihr Verhalten unmöglich sei und sie keinen Respekt vor ihrem so kürzlich erst verstorbenen Mann zeige. Einzig Evelien versucht sich wirklich in ihre Grossmutter hineinzuversetzen, da auch sie bereits in ihrem zwanzigsten Lebensjahr lernen musste, dass in der Liebe nicht immer alles vorhersehbar ist. Gibt es trotz erschwerter Umstände also eine zweite Chance für Gerard und Emma?

Hinter den Wolken ist einer derjenigen Filme, die man ganz einfach als «ganz gut» bezeichnen kann, ohne dass dies abwertend ist. Herausragen tut bei der Geschichte nichts, doch die Figuren sind präzise gezeichnet und werden von den Akteuren naturalistisch und glaubwürdig porträtiert. Die Liebe im Alter ist gerade im Arthousebereich nicht selten zu sehen, und es ist lobenswert, dass sich Filmemacher mit dieser facettenreichen Thematik auseinandersetzen.

Zu Beginn von Cecilia Verheydens Drama geht es dem Zuschauer ähnlich wie dem Umfeld der Hauptfigur Emma, und man fragt sich, wieso es die Frau schafft, so schnell über den Tod ihres langjährigen Ehemannes hinwegzukommen. Über den Verlauf der Spielzeit wächst Emma jedoch so sehr ans Herz, dass man ihr und ihrem Gerard das grosse Glück gönnen möchte. Schuld an diesem Stimmungswandel ist allem voran Hauptdarstellerin Chris Lomme, die Emma eine ansteckend strahlende Wärme verleiht. Die Lebensfreude in ihren Augen ist sichtbar und ihr Aufblühen toll mitanzusehen.

Dass die Protagonistin so gut gespielt und präzise geschrieben ist, hat eine grosse Bedeutung für Hinter den Wolken, da es sich hier um eine Charakterstudie handelt, bei der die Handlung in den Hintergrund gerückt wird und die Figuren viel Raum zum Atmen bekommen. Die Geschichte von Emma berührt aber am Schluss vielleicht ein bisschen wenig. Es wurde bewusst auf Kitsch und Senitimentalität verzichtet, was dem Film hoch angerechnet werden kann, auch wenn ihm eine kleine Prise davon vielleicht gar nicht mal so schlecht getan hätte.

Ein rasantes Erzähltempo kann nicht erwartet werden, doch Langeweile macht sich nie breit bei der unaufgeregten, klassischen Inszenierung. Der Film basiert auf einem Bühnenstück, wirkt aber zu keiner Zeit theatralisch. Die Farbtöne in Pastell sind vorsichtig gewählt und der Film ist optisch trotz seiner Einfachheit sehr ansprechend. Kleine Abstriche gibt es dafür, dass Gerard als Figur etwas schablonenhaft bleibt. Der Dichter mit den zwei Exfrauen, der aber sowas von charmant ist, wirkt wie ein unnötiger Griff in die Klischeekiste, auch wenn Darsteller Jo De Meyere das Maximum herausholt.

Marco Albini [ma]

2003 verfasste Marco seine erste Kritik auf OutNow und ist heute vor allem als Co-Moderator des OutCast tätig. Der leidenschaftliche «Star Wars»-Fan aus Basel gräbt gerne obskure Genrefilme aus, aber Komödien sind ihm ein Gräuel.

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Trailer Deutsch, 2:02 © Cinejoy Movies