Ohne zu spoilern, sei an dieser Stelle bereits der Schluss des Filmes verraten: Am Ende wird aufgeführt, wann rund um die Welt das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Die nackten Zahlen reichen von 1893 (Neuseeland) bis 2015 (Saudi-Arabien), wobei die Schweiz (1971) wenig rühmlich fast ganz am Ende der Liste steht (nur noch vor Jordanien, Nigeria, Katar und Saudi-Arabien). Die Zahlen deuten es an: Suffragette konzentriert sich zwar auf die Ereignisse in Grossbritannien um 1912/13, jedoch handelt es sich um eine fast universelle Geschichte, die auch für den Kampf der Frauen zahlreicher anderer Länder und Epochen stehen könnte.
Obwohl es sich um ein Historiendrama handelt, scheinen historische Details kaum von Interesse gewesen zu sein. Die konkreten Forderungen und Argumente der Frauenrechtlerinnen werden nur am Rand erwähnt, und die Argumente der Gegner kommen überhaupt nicht zur Sprache. Sympathisanten unter den Männern gibt es sowieso nur einen - hier macht es sich der Film etwas gar einfach. Offensichtlich war es den Damen vor und hinter der Kamera ein Anliegen, die Zuschauer vor allem emotional einzubinden und sie an der frustrierenden Situation politisch und sozial machtloser Frauen teilnehmen zu lassen. Wer sich vom Film historisches Wissen erhofft, wird deshalb wohl enttäuscht sein. Zwar tritt Brendan Gleeson als eine Art halb-wohlwollender Gegenspieler auf, der mit stoischem Gleichmut die bestehenden Gesetze vertritt. Aus den wenigen direkten Konfrontationen von Obrigkeit (Gleeson) und Frauenrechtlerin (Mulligan) hätte man aber mehr machen können.
Bei der Hauptfigur erweist sich der Verzicht auf allzu genaue historische Fakten allerdings durchaus als gute Entscheidung. Die von Carey Mulligan einnehmend gespielte - für den Film erfundene - Maud führt die Zuschauer nach und nach ins Vorkriegsengland ein und schafft es auf zunehmend beklemmende Weise, die vielen Lebenssituationen aufzuzeigen, in denen Frauen benachteiligt und dem Goodwill der Männer ausgesetzt sind. Nähe wird auch filmisch inszeniert, indem wir der Protagonistin in vielen Nah- und Detailaufnahmen folgen. Der leidenschaftliche Kampf der jungen Frau kann zwar durchaus mitreissen, jedoch hätte man sich manchmal einen breiteren Fokus gewünscht. Neben dem Arbeitermilieu wären so etwa auch andere Perspektiven in der alles andere als homogenen Suffragettenbewegung interessant gewesen.
Der enge Blick schlägt sich leider auch in der Figurenzeichnung nieder: Für die Rolle der grossen Anführerin der Suffragettenbewegung konnte Gavron - wer könnte es auch anderes sein? - Meryl Streep gewinnen, nur um diese in nur zwei Szenen auftreten zu lassen. Selbst die wichtigsten Nebenfiguren - sympathisch gespielt von Anne-Marie Duff und Helena Bonham Carter - erhalten kaum Tiefe. Dank Mulligan als eindrücklichem emotionalen Anker weiss Suffragette zu bewegen. Trotzdem beschleicht einen das Gefühl, dass aus diesem wichtigen Thema mehr herauszuholen gewesen wäre.