Mississippi Grind (2015)

Mississippi Grind (2015)

  1. 108 Minuten

Filmkritik: Bube, Dame, König, Pleite

40th Toronto International Film Festival
Eine bunt zusammen-gewürfelte Truppe
Eine bunt zusammen-gewürfelte Truppe © Studio / Producer

Egal, ob Poker, Roulette, Pferderennen oder Würfeln: Der Immobilienmakler Gerry (Ben Mendelsohn) ist ein chronischer Gambler. Wegen seiner Spielsucht hat ihn seine Frau mitsamt Tochter längst verlassen, und er steckt bis zum Hals in Schulden. Um so verbissener hofft er auf den ganz grossen Coup in der Spielhalle, mit dem er all seine Geldsorgen ein für allemal los wäre. Die Chance hierzu bietet sich, als er am Pokertisch den jüngeren Curtis (Ryan Reynolds) kennenlernt und sich mit ihm anfreundet. Er kann ihn überreden, ihn an ein legendäres Turnier in New Orleans zu begleiten und ihm den dazu nötigen Cash-Einsatz von 2000 Dollar vorzuschiessen.

Neue olympische Disziplin: Synchron-Saufen.
Neue olympische Disziplin: Synchron-Saufen. © Studio / Producer

Auf der Reise von Iowa in Richtung Südstaaten klappern die beiden diverse Spielturniere ab und sind dabei auch ordentlich erfolgreich. Unterwegs treffen sie auf die beiden Escort-Ladys Simone (Sienna Miller) und Vanessa (Analeigh Tipton). Während sich Curtis mit Simone vergnügt, findet die schüchterne Vanessa Gefallen an Gerry. Doch dieser hat den Kopf anderswo. Seine notorische Spielsucht entwickelt sich immer mehr zum Problem, an dem auch die Freundschaft zu Curtis zu zerbrechen droht.

Das Spielerdrama-Buddy-Movie von Anna Boden und Ryan Fleck überzeugt durch zwei gut harmonierende Hauptdarsteller. Überzeugend ist insbesondere Ben Mendelsohn als Spielsüchtiger, der einfach nicht anders kann, als immer wieder auf «All in» zu gehen. Der Film hingegen tut ihm das nicht nach. Er bietet bewährte Genrekost, die sich irgendwo im soliden Durchschnitt ansiedelt. Um beim Poker zu bleiben: ein gutes Blatt, aber kein sensationelles. Ein Drilling vielleicht.

Der Star, mit dem die Produzenten Mississippi Grind zu verkaufen versuchen dürften, heisst Ryan Reynolds. Doch eigentlich ist es vielmehr Ben Mendelsohns Film. Mendelsohn ist ein klassischer Vertreter der Sorte «Wo-hab-ich-den-schon-gesehen?»: ein bewährter Nebendarsteller in zahlreichen Hollywood-Produktionen (beispielsweise Killing Them Softly oder The Place Beyond the Pines), ein markantes Gesicht, das man in Erinnerung behält - und dennoch ist der Name den meisten Kinogängern nicht sofort geläufig. Zu Unrecht. Denn in diesem Film darf er endlich mal eine erinnerungswürdige Hauptrolle spielen: Die stoische Verzweiflung, mit der er den abgehalfterten Spieler verkörpert, der durch seine Sucht alles zu verlieren droht, ist beeindruckend und bedrückend.

Ganz im Kontrast steht da Reynolds' Figur Curtis: ein positiver Sunnyboy, der einfach leidenschaftlich gerne spielt, ohne aber in die Sucht zu verfallen - zumindest macht dies den Eindruck. Erst gegen Ende offenbart sich, dass auch er nicht so richtig die Hände von den Würfeln und Spielkarten lassen kann. Überhaupt, dieses Ende: Man ist sich nicht ganz schlüssig, ob dieses nun anrührend oder ironisch zu interpretieren ist. Einerseits wirkt es ein ganz klein bisschen aufgesetzt und unglaubhaft, auf der anderen Seite muss man ihm aber zu Gute halten, dass es den landläufigen Genre-Konventionen ein Schnippchen schlägt.

Denn ansonsten fährt Mississippi Grind auf den bewährten Pfaden. Ein wenig Spieler-Drama à la The Hustler, ein wenig Road Movie à la Midnight Run und ein wenig Suchtdrama à la Leaving Las Vegas, das alles gemischelt und zusammengewürfelt (haha) ergibt ein solides Filmdrama, das nur in wenigen Szenen über den Durchschnitt herausragt. Zudem ist es ein klein wenig zu lange geraten und wird gegen Ende etwas repetitiv. Wenigstens den Namen Ben Mendelsohn wird man nach dem Schauen des Filmes - hoffentlich - definitiv im Langzeitgedächnis gespeichert haben.

Simon Eberhard [ebe]

Aufgewachsen mit Indy, Bond und Bud Spencer, hatte Simon seine cineastische Erleuchtung als Teenager mit «Spiel mir das Lied vom Tod». Heute tingelt er durch Festivals und mag Krawallfilme genauso wie Artsy-Farts. Nur wenn jemand einen Film als «radikal» bezeichnet, rollt er genervt mit den Augen.

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Trailer Englisch, 2:30 © A24