Giovanni Segantini: Magie des Lichts (2015)
Giovanni Segantini: Magie des Lichts (2015)
Oder: Werden - Sein - Vergehen

Mittag in den Alpen
Soll unsereiner drei bekannte Schweizer Maler aufzählen, so würden wohl am ehesten die Namen Giacometti, Hodler und Anker fallen. Und was ist mit Giovanni Segantini? Ja, vielleicht auch schon mal gehört... Segantini - zwar gebürtiger Österreicher, dann aber als Staatenloser seelisch der Schweiz zugetan - durchlebt eine schwere Zeit des Aufwachsens, formt daran hartnäckig seine Weltanschauung und findet im Künstlerdasein die ultimative Freiheit. Er entwickelt seinen eigenen Malstil, ist pausenlos auf der Suche nach dem "unentdeckten Amerika der Kunst" und dient einer Vielzahl an grossen Künstlern als Vorbild.

La famiglia orgogliosa
Die Schweizer Dokumentation Giovanni Segantini - Magie des Lichts verfolgt die 41 Jahre dauernde Lebenslinie des rastlosen, eigenwilligen und kühnen Künstlers. Leid, Liebe, Licht sind Segantinis drei Triebkräfte, die er in immer neuen Farbtönen und Gestalten auf seiner Leinwand festhält. Der Charakterkopf zeigt sich als scharfer Beobachter seiner Zeit und seines Schaffens, ist jedoch trotz der Zufriedenheit mit seinem Leben stets gejagt von Geldsorgen und Angst vor dem omnipräsenten Tod.
Film-Rating
Wer auf der Suche nach einem gelungenen Porträt des Malers Giovanni Segantini ist, findet sie in Christian Labharts Dokumentation Giovanni Segantini - Magie des Lichts. Beinahe selbst zu einem grossen Gemälde verschmelzend, werden Denken, Wirken und Sein des Malers stimmig verflochten und kreieren eine furiose und berührende Hommage an den Alpenmaler.
Ausführliche Kritik anzeigen
Eigentlich will es so gar nicht zusammenpassen. Die Alpenidylle, die weidenden Schafe, das Sonnenlicht, das jeden Grashalm farbenprächtig hervorschimmern lässt, und das alles motiviert durch den dunklen Tod. Giovanni Segantini bedrückten sein Leben lang Todesängste aus Kindheitszeiten und spornten ihn zum Malen an. Früh verlor er seine Eltern. Geprägt vom Vergehen und von Einsamkeit wandte er sich gegen seine Nichtigkeit: "Allen war es gleichgültig, ob ich lebte oder nicht. Aber ich wollte leben!"
Diesen Kontrast verfolgt Giovanni Segantini - Magie des Lichts, evoziert dabei eine unheimliche Atmosphäre, die verdeutlicht, wie schnell die Schönheit der Natur in Schrecklichkeit umschlagen kann.
Christian Labhart, der das Feld der Kunst-Dokumentation schon betreten hat (Appassionata, Zum Auftakt Rossini), schafft eine Standbild-Collage aus den farbenprächtigen Malereien Segantinis, zeitgenössischen Aufnahmen der Wirkungsorte des Malers und Fotografien, aus denen der Künstler uns keck entgegenblickt. Damit gelingt Labhart eine kurzweilige Gesamtschau und ein eindrückliches Denkmal des Lebens des umtriebigen Malers.
Geschaffen hat sich das Denkmal dieses Malers schlussendlich selbst mit einzigartigen Bilderwerken sowie einem philosophisch und poetisch äusserst ausgereiftem schriftlichen Vermächtnis. Zu Wort kommen daher nur Segantini selbst (gesprochen von Bruno Ganz) sowie Passagen aus einer Romanbiografie Asta Scheibs (gesprochen von Mona Petri). Es zeichnet Labharts Leistung aus, sorgfältig die jeweils wichtigen Zeugnisse auszuwählen und daraus eben diese unerklärlich zauberhaft-spannende Mischung zu entwickeln. Kontraste, Aufstiege, Fälle - man kommt Segantini ganz nahe und hielte sich gerne noch etwas länger im Bann der Bilder gefangen.
"Was ich sehe, fühle ich", schrieb Giovanni Segantini einst. Christian Labhart liefert ein ähnlich atemberaubendes Erlebnis mit seinem Film. Giovanni Segantini - Magie des Lichts ist eine Reise in die Welt eines wachen, scharf beobachtenden und eigenen Künstlerkopfs, von der man noch lange zehrt und die auch einem Laienpublikum viel Substanz mitzugeben weiss. Die einzige Inkosistenz des Films ist die Wahl, dem feurigen, umtriebigen Segantini die Stimme des grossväterlich-sanftmütigen Bruno Ganz zu verleihen; dies stimmt bildlich nicht überein.