"Chiraq" nennen die Rapper Chicagos die South Side. Hier sind im Zeitraum des Irakkrieges genauso viel Menschen gestorben wie US-Soldaten im Einsatz. Chi-Raq ist laut dem Regisseur Spike Lee eine Satire, in jedem Fall aber ein auf der griechischen Komödie «Lysistrata» basierendes Drama mit musikalischen Einschüben. Es ist auch der erste von Amazon Studios produzierte Spielfilm und wird sowohl online als auch im Kino vertrieben. Die Banden der Spartaner und Trojaner hat Lee komplett erfunden, dafür tragen sie, genau wie die Figuren, Namen aus der griechischen Vorlage.
Anfangs liegt der Fokus noch auf dem rivalisierenden Konflikt der Banden, ein von Schauspieler Nick Cannon gesungenes Lied führt den Zuschauer in die South Side ein. Schnell scheint der Film den eigentlichen Konflikt aber aus den Augen zu verlieren und stellt den Boykott der Frauen in den Vordergrund. Das macht aufgrund der Vorlage natürlich Sinn, damit wendet sich aber auch der thematische Schwerpunkt in eine andere Richtung. Zwar bleibt die Gewalt ein vorherrschendes Thema, der Film bekommt aber auch einen zunehmend unangenehmeren Hang zum Sexismus. Überraschenderweise zielt das auf beide Geschlechter ab. Dabei reduziert Lee nicht nur die Frau herab auf ein Wesen ohne Hirn, das nur mit dem Körper zu funktionieren hat. Auch der Mann kommt nicht gut dabei weg, denn man lernt, dass jeder Mann, egal welchen gesellschaftlichen Rang er inne hat, nur Sex im Kopf hat. Kein schönes Bild.
Gewöhnungsbedürftig, aber auch interessant ist die fast durchgehend vorherrschende Reimform, die glücklicherweise der Moderne angepasst ist. Es wird immer wieder gerappt und ab und an gesungen. Spike Lee arbeitet fast nur mit schwarzen Darstellern. Einzig John Cusack hat die Ehre, als Weisser einen grösseren Part zu übernehmen. In der Rolle des Father Corridan, angelehnt an den echten Pfarrer der örtlichen Kirche St. Sabina in South Side, darf er mit einer schrillen Predigt über den Waffenwahn zu Wort kommen.
Chi-Raq ist schwierig. Einerseits möchte Spike Lee provozieren, auf die Gewalt und Problematik in Chicago und vergleichbaren Ghettos aufmerksam machen. Er nutzt dafür einen durchaus interessanten Ansatz, in dem er die griechische Vorlage nutzt. Sein Film ist bunt und laut, manche Ideen sind wirklich schön, skurril und auch mit viel Satire versehen. Zu oft allerdings ist der Film viel zu sexistisch und klischeehaft, zu lang in vielen Passagen und lässt die Zuschauer genervt und überfrachtet, fast ein bisschen enttäuscht zurück.