Anomalisa (2015)

Anomalisa (2015)

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  2. 90 Minuten

Filmkritik: Girls just wanna have fun!

72. Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica 2014
Schönheit blendet
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Michael (Stimme: David Thewlis) muss morgen eine Konferenz für Mitarbeitende kundenorientierter Betriebe geben. Dafür fliegt er nach Cincinnati, um die Nacht in einem schicken Hotel zu verbringen. Michael hat eine Famlie und ein stabiles Einkommen, sucht aber immer noch nach dem gewissen Etwas in seinem Leben, welches ihm zu normal und fad ist. Auf der Suche nach einem Abenteuer ruft er eine ehemalige Affäre aus der Stadt an, die ihn im Hotel besuchen solle.

Nach einem Gespräch in der Hotelbar stellt sich heraus, dass da nichts draus wird. Und dann lernt Michael die überdrehte Lisa (Stimme: Jenifer Jason-Leigh) kennen, die hier ist, um sein Seminar zu besuchen. Irgendetwas ist anders an Lisa, und Michael hat nur noch ein Ziel vor Augen: die Nacht im Hotelzimmer gemeinsam mit Lisa zu verbringen, die er liebevoll Anomalisa nennt, da sie etwas ganz, ganz Besonderes ist.

Charlie Kaufmans Animationsfilm ist weniger komplex als die früheren Werke des Querdenkers, hat aber einen frischen Look und eine Mischung aus Traurigkeit und Humor, die man nicht oft im Kino sieht. Für Kaufman-Enthusiasten eine kleine Enttäuschung und für ein Massenpublikum doch noch zu absurd, wird es Anomalisa schwierig haben, ein Publikum zu finden.

Das Hirn von Charlie Kaufman hat schon immer anders getickt. Mit dem Drehbuch zu Being John Malkovich schaffte er 1999 seinen Durchbruch und mit seinem Regiedebut Synecdoche, New York hat er vielleicht bereits sein Opus Magnum geschaffen. Sein zweiter Kinofilm Anomalisa (den er in Co-Regie mit Duke Johnson gedreht hat) wurde dank Kickstarter möglich und erzählt eine kleinere, aber wieder sehr persönliche Geschichte mit traurigem Humor.

Zu Beginn des Filmes werden alle Figuren, denen Protagonist Michael begegnet, von Tom Noonan gesprochen. Ein tolles Mittel, um zu zeigen, wie sehr sich Michael im Alltag gefangen fühlt. Der Film hat eine überaus traurige Grundstimmung, versetzt man sich erst in den Kopf der Hauptfigur, und man hofft mit, dass Michael vielleicht doch noch Glück und Erfüllung findet.

Diese emotionalen Themen tragen den Film, der rein inhaltlich sehr dünn ist, was zu Ungeduld beim Zuschauer führt. Es passiert nicht viel auf der Leinwand, also ist man gezwungen, sich in die Gedankenwelt von Michael hineinzuversetzen. Kaufman bietet aber auch hier erschreckend wenig komplexes Material. Lernen wir dann Lisa kennen, bekommt auch der Film einen kleinen Aufschwung, um ihn dann mit einer unnötig expliziten Puppensexszene wieder zu verlieren. Das Ende ist deprimierend, kommt aber zu schnell und sagt zu wenig aus, um grossen Eindruck zu hinterlassen.

Animationstechnisch sieht Anomalisa ungewohnt realistisch aus. Die kleinen Sets sind wunderschön detailreich gebaut worden und die Figuren haben eine selten gesehene Menschlichkeit in ihren Gesichtern und Körpern. Wieso gerade dieses Medium gewählt wurde, ist auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar, aber ohne diese formale Kuriosität wäre das Interesse des Publikums vielleicht noch schneller abgeschweift.

Marco Albini [ma]

2003 verfasste Marco seine erste Kritik auf OutNow und ist heute vor allem als Co-Moderator des OutCast tätig. Der leidenschaftliche «Star Wars»-Fan aus Basel gräbt gerne obskure Genrefilme aus, aber Komödien sind ihm ein Gräuel.

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