Above and Below (2015)

Above and Below (2015)

  1. , ,
  2. , ,
  3. 118 Minuten

Filmkritik: Sunrise, sunset. Sunrise, sunset.

51. Solothurner Filmtage 2016
Funkelnde Lichter der Sündenstadt und ihre Verlierer
Funkelnde Lichter der Sündenstadt und ihre Verlierer © cineworx

Der Film zeigt Überlebenskünstler, welche es hervorragend verstehen, in einem speziellen Umfeld und unter aussergewöhnlichen Umständen zu überleben, auch wenn es nicht der einfachste Weg im Leben ist. Dave, ein Mann reiferen Alters, lebt in einem ehemaligen Militärbunker in der Wüste. Wie es das Leben wollte, spielte es ihm nicht immer gut zu: Hinter ihm liegen mehrere schwere Schicksalsschläge. Er beschäftigt sich mit dem Betrachten von Sonnenuntergängen, der Reparatur eines alten Campers sowie dem Herumstreifen in der Wüste.

Mission to Mars
Mission to Mars © cineworx

Rick und Cindy sind Obdachlose in den Flutkanälen von Las Vegas. Inmitten der dunklen nassen Tunnels leben, lieben und streiten sie sich, bis die nächste Flut kommt und ihr halbes zusammengesammeltes Hab und Gut fortschwemmt - und somit immer auch einen Teil ihrer selbst. Ebenfalls in den Katakomben, aber als Einzelgänger, lebt Lalo, «The Godfather». Die junge April schliesslich übt mit ihren Mars-Society-Genossen in der staubigen Wüste Utahs für den Ernstfall einer Marsmission, welche sie aber wohl nie durchführen wird.

Der Film von Nicolas Steiner zeigt drei Geschichten aus drei verschiedenen Lebensabschnitten, die eher philosophisch denn personell verbunden sind: Aussteiger und Randständige, welche auf drei verschiedenen Ebenen leben, werden dargestellt und erzählen aus ihrem Leben in einem Militärbunker inmitten der Wüste, in einem Flutkanal unter Las Vegas sowie einer Mars-Übung in der Wüste Utahs. Optisch erschlagend, jedoch eher schwer zugänglich und auf keinen Fall mainstreamtauglich.

Above and Below ist ein audiovisuelles Feuerwerk. Die Dokumentation, welche für ihr Genre eher unkonventionell daherkommt, führt den Betrachter nämlich kaum in das Geschehen ein: Er wird hineingeworfen, die Charaktere werden nicht eingeführt, erst im Verlaufe des Filmes lernt man Einzelheiten kennen.

So erweist er sich als schwer zugänglich. Nicht nur, weil dem Zuschauer häppchenweise Informationen zugeführt werden, sondern auch, weil er während 118 Minuten Laufzeit wenig bis keine Handlung besitzt. Vielmehr sehen wir Fragmente aus den Leben verschiedener Personen. Langsam lernen wir sie kennen, sie werden nicht interviewt oder dazu angehalten, ihre Geschichte zu erzählen. So nehmen wir teil an Existenzen an drei verschiedenen Orten, nennen wir sie Höhenstufen: Oben der Mars. In der Mitte die Erde, die Wüste. Unten die Unterwelt, die Wasserschächte unterhalb der Stadt Las Vegas. Existenzen, welche am ehesten als verlorene Seelen zu bezeichnen sind, gesellschaftlich gesehen Randständige, welche allesamt ein unkonventionelles Leben führen.

Eine wichtige Rolle im Werk spielt die Musik. Diese unterstreicht emotional die Gefühlslagen der Charaktere, wirkt wütend, aufbrausend, aber auch nachdenklich und wehmütig. Genau wie die Träume und Anti-Träume der Protagonisten es sind, dieser obdachlosen, geschassten und verletzten Menschen.

Verbunden werden die Einzelsequenzen dabei philosophisch, wenn es um Lebenseinstellungen und similäre Wunschträume geht, sowie thematisch, wenn in aufeinanderfolgenden Szenen bei allen drei Parteien Tischtennisbälle zum Einsatz kommen oder Wäsche gewaschen wird.

Optisch gesehen ist bemerkenswert, welche schönen Aufnahmen der dürren Wüsten und der gänzlich gegensätzlich nassen Tunnels der Regisseur Nicolas Steiner zeigt: Naturaufnahmen wie aus dem Bilderbuch. Ein enorm langsames Erzähltempo, stellenweise zu langsam und schwerfällig, bremst das Werk hinunter und lässt sinnieren über Leben und Tod, die Vergänglichkeit von Mensch und Umwelt. Im krassen Gegensatz dazu steht die Prä-Endphase, wo mit schnellen Schnitten und achterbahnartigen Kamerafahrten, mit viel Lichtern und gedrehter Achse, viel Tempo erzeugt wird, um dieses «at the very ending» wieder abzubremsen.

Yannick Bracher [yab]

Yannick ist Freelancer bei OutNow seit Sommer 2015. Er mag (Indie-)Dramen mit Sozialkritik und packende Thriller. Seine Leidenschaft sind Filmfestivals und die grosse Leinwand. Er hantiert phasenweise noch mit einem Super-8-Projektor und lernt die alten Filmklassiker kennen und schätzen.

  1. Artikel
  2. Profil
  3. Letterboxd
Trailer Englisch mit deutschen Untertitel, 2:01 © cineworx