Selma (2014)

Selma (2014)

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  3. 128 Minuten

Filmkritik: King of the Road

Last Man Standing
Last Man Standing © Pathé Films AG

1965: Der Bürgerrechtler Martin Luther King (David Oyelowo) hat für seinen Kampf gegen die Rassendiskriminierung soeben den Friedensnobelpreis erhalten. Nicht zuletzt dank seines Einsatzes wurde vom US-Kongress der "Civil Rights Act" verabschiedet, der allen Schwarzen das Wahlrecht gewährt. Doch seine Arbeit ist noch lange nicht getan: In vielen Südstaaten werden die Afroamerikaner noch immer diskriminiert, so auch im von Gouverneur George Wallace (Tim Roth) regierten Alabama. In der Kleinstadt Selma beispielsweise müssen Schwarze zuerst Fragen zur amerikanischen Geschichte korrekt beantworten, ansonsten wird ihnen das Wahlrecht verwehrt.

"Wo ist mein Honey Bunny?"
"Wo ist mein Honey Bunny?" © Pathé Films AG

Die angespannte Lage in Selma droht zu eskalieren, als ein Polizist einen jungen schwarzen Aktivisten erschiesst. King entschliesst sich, einen Protestmarsch von Selma in Alabamas Hauptstadt Montgomery zu organisieren. Doch der Marsch wird von der lokalen Polizei brutal niedergeknüppelt. King gibt nicht auf und plant, den Marsch zwei Tage später nochmals durchzuführen. Um die Sicherheit der Teilnehmer zu gewährleisten, bittet er US-Präsident Lyndon B. Johnson (Tom Wilkinson) um Hilfe. Doch dieser hat seine Bedenken.

Schon wieder ein Film über die Rassendiskriminierung in den amerikanischen Südstaaten? Ja, das Thema ist mittlerweile etwas durchgekaut. Ava DuVernays Film bietet letztendlich auch das, was man von einem solchen Film erwartet: routiniert erzähltes, politisch korrektes Gerechtigkeitskino. Dennoch ist Selma gerade dank seinen guten Schauspielern sehenswert - und auch 50 Jahre später noch brandaktuell. Nur dass Selma heute Ferguson heisst. Leider scheint Martin Luther Kings berühmter Traum auch heute noch nicht in die Realität umgesetzt.

Seit einigen Jahren arbeitet Hollywood mit bewundernswerter Vehemenz eines der dunkelsten Kapitel in Amerikas jüngerer Geschichte auf: die jahrzehntelange Diskriminierung der dunkelhäutigen Bevölkerung, die seit Zeiten des Sklavenhandels vor allem in den US-Südstaaten sehr ausgeprägt war. Lange war dies ein Tabuthema, an dem sich niemand die Finger verbrennen wollte. Doch nun spriessen die Filme förmlich aus dem Boden: The Help, Twelve Years A Slave oder The Butler heissen sie, und selbst Quentin Tarantino hat das Thema in seinem Django Unchained auf die ihm eigene Art und Weise aufgegriffen.

Bei den Zuschauern kann sich hier schon eine gewisse Sättigung bemerkbar machen. Denn letztendlich gleichen sich all diese Filme ein wenig. Handkehrum hat eine dermassen prägende Figur des 20. Jahrhunderts wie Martin Luther King sicherlich ihren eigenen grossen Spielfilm verdient. Selma ist freilich kein Biopic: Die Handlung setzt im Jahr 1965 ein, in der er seine weltbekannte "I have a Dream"-Rede bereits hinter sich hat, und erstreckt sich nur über wenige Monate. Seine Ermordung im Jahr 1968 kommt nur in einer dürren Texttafel am Ende kurz zur Sprache.

Dass sich Martin Luther King dennoch als herausragende Persönlichkeit ins Gedächtnis haftet, ist Hauptdarsteller David Oyelowo zu verdanken, der die langsame und eindringliche Sprechweise des Bürgerrechtlers sehr gut imitiert. Leider erhält er kaum Gelegenheit, auch Kings Schattenseiten darzustellen wie beispielsweise seine ausserehelichen Affären, mit denen das FBI versucht hat, ihn zu diskreditieren. Dass FBI-Chef Hoover (hier dargestellt von Dylan Baker) King zutiefst hasste, wissen wir ja schon seit J. Edgar. Hier sind es nun just Notizen aus den FBI-Bespitzelungs-Akten, die dem Film erst seine Struktur geben.

Es wird denn auch schnell klar: Die Welt in Selma ist (Achtung, grandioses Wortspiel!) schwarzweiss. Dies mag aus Gründen der Dramaturgie richtig und verständlich sein. Allerdings macht das die Hauptfigur auch ein klein wenig langweilig. Da freut man sich, zwischendurch wieder luschere Charaktere anzutreffen. So beispielsweise den grossartigen Tom Wilkinson, der den US-Präsidenten Lyndon B. Johnson als jovialen Hitzkopf gibt; oder den wunderbar schmierigen Tim Roth in der Rolle des selbstgerechten Gouverneurs George Wallace. Letztendlich sind die Bösen halt irgendwie doch spannender als die Guten.

Simon Eberhard [ebe]

Aufgewachsen mit Indy, Bond und Bud Spencer, hatte Simon seine cineastische Erleuchtung als Teenager mit «Spiel mir das Lied vom Tod». Heute tingelt er durch Festivals und mag Krawallfilme genauso wie Artsy-Farts. Nur wenn jemand einen Film als «radikal» bezeichnet, rollt er genervt mit den Augen.

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