Le Week-End (2013)

Le Week-End (2013)

  1. ,
  2. ,
  3. 93 Minuten

Filmkritik: Leise kriselt die Eh

Alors on danse
Alors on danse © Frenetic Films

Nick (Jim Broadbent) und seine Ehefrau Meg (Lindsay Duncan) sind seit 30 Jahren verheiratet. Ihre Partnerschaft basiert auf Automatismen, und die Liebe zeigt sich nur noch blass in der alltäglichen Routine. Um der langweiligen Ehe zu etwas Schwung zu verhelfen, wagen die beiden Mittfünfziger einen Trip in die Vergangenheit. Sie reisen nach Paris, wo sie einst ihre Flitterwochen verbracht haben. Doch bereits bei der Ankunft gibt es mächtig Zoff.

Bitch, Please
Bitch, Please © Frenetic Films

Das Hotel hat sich in den dreissig Jahren verändert, und Meg ist mit der Behausung absolut nicht zufrieden - worauf das Paar, trotz finanzieller Notlage, die Koffer packt und sich in eine Suite eines Luxushotel umquartieren lässt. Doch auch in der Stadt der Liebe scheint vor allem Meg nicht mehr viel für ihren Mann übrig zu haben, und der sexuell unbefriedigte Nick stösst bei ihr immer wieder auf abweisende Signale. Während sich Streitereien und Liebeleien regelmässig abwechseln, treffen sie auf Nicks alten Schulfreund (Jeff Goldblum), der vom Erfolg verwöhnt wurde und die beiden zum Nachtessen einlädt, bei dem die Situation völlig aus dem Ruder läuft.

Beziehungsprobleme, Trennungen oder Scheidungen haben in der Filmwelt eine ähnliche Tradition wie die Liebe, die einst das Paar zusammenfügte. Das unbequeme Thema ist in den Jahren immer aktueller geworden, und die Zuschauer haben sich ab der heilen Welt mit typischen Happy Ends sattgesehen und freuen sich stattdessen mehr über ein realistisches Weltbild. Unheimlich viele Beziehungen gehen in die Brüche, und gerade im höheren Alter nehmen Scheidungen rasant zu. Die Gründe sind verständlich: Die Kinder ziehen aus, der Alltag ist stets derselbe und die Schmetterlinge sind längst verflogen. BAFTA-Preisträger Roger Michell, der übrigens auch geschieden ist, hat sich zusammen mit Drehbuchautor Hanif Kureishi in seinem neusten Werk mit dem Zustand der Beziehung nach 30 Ehejahren beschäftigt und schickt dabei die beiden Briten Jim Broadbent und Lindsay Duncan als Paar in die Stadt der Liebe. Le Week-End ist ein kurzweiliges Drama, das nur selten schwermütig wird und mit schönen und vergnüglichen Dialogen und Szenen das Zusammenleben auf unterschiedliche Weise durchleuchtet.

Die Sightseeing-Tour in Paris lebt von den Launen und Dialogen der Hauptcharaktere. Während der aus gutem Grund etwas sparsame und haspelnde Pantoffelheld Nick, wunderbar überdreht dargestellt von Jim Broadbent, eigentlich ganz zufrieden ist mit seiner Ehe, ist es vor allem seine zynische und nachdenkliche Frau Meg, die in ihrem Leben einen Scheidepunkt erreicht hat. Ein zweiter Frühling, gar ein zweites Leben oder dann doch die grosszügige Wärme des langjährigen Partners, bei dem man sich dann doch am Geborgensten fühlt. Michell schafft es, dieses Dilemma einfach und ziemlich ironisch auf die Leinwand zu zaubern und ist dabei zu keiner Zeit störend oberflächlich. Klischees werden zwar nicht ausgelassen, und wenn Nick genüsslich an einem Joint zieht, darf man Le Week-End durchaus eine Art Seichtigkeit vorwerfen. Diese wiederum wird aber sympathisch vermittelt, so dass man sich letzten Endes im eigenen turbulenten Liebesleben wiederfindet.

Im Schlussdrittel werden die Eheprobleme, obwohl noch immer präsent, etwas auf die Seite geschoben, und Jeff Goldblum als trendiger und reicher Schriftsteller lässt Nick in Bezug auf Erfolg und Reichtum alt aussehen. Dieser Teil des Films wirkt bis zum bitteren Abschluss wie ein Fremdkörper. Ein fünftes Rad am Wagen, das zwar dem Ehe-Wiederbelebungsversuch im Weg steht, aber die Figuren und ihre Umstände so vertieft, dass auch das an der Liebe zu knabbernde Duo gleichermassen wie der Zuschauer den essentiellen Schwierigkeiten ins Auge blicken kann.

Fazit: Roger Michell ist mit dem heiteren, aber doch ehrlichen und teilweise sanft-melancholischen Drama Le Week-End ein schöner Film über das langjährige Beisammensein geglückt. Dem stimmigen Mix aus Sightseeing-Klamauk, Gefühlsduselei und alltäglichen Familienproblemen gelingt es zwar nicht, aus der ernsten Grundthematik eine tiefschürfende Ballade zu zaubern, zeigt aber mit viel Herz, wie wichtig uns unsere Liebsten sind.

Yannick Suter [yan]

Yannick arbeitet seit 2010 als Freelancer für OutNow. Sci-Fi-, Horror- und Mindfuck-Filme sind seine Favorites. Wenig anfangen kann er mit Kostümfilmen und allzu prätentiösen Arthouse-Produktionen. Wer aber etwas über äusserst verstörende Filme erfahren möchte, ist bei ihm an der richtigen Adresse.

  1. Artikel
  2. Profil
  3. facebook
  4. Instagram
  5. Letterboxd