Omar (2013)

Omar (2013)

  1. ,
  2. 96 Minuten

Filmkritik: Junge Liebe in einem alten Krieg

Teambesprechung
Teambesprechung © cineworx

Omar (Adam Bakri) ist tagsüber ein gewöhnlicher palästinensischer Bäcker, der in seiner Freizeit über die Trennmauer steigt, um seine Freundin Nadja (Leem Lubany) zu besuchen. Nadjas Bruder Tarek (Iyad Hoorani) ist Omars bester Freund und dies seit Kindheitstagen. Zu dumm, dass Tarek nichts von der Beziehung zwischen seiner Schwester und seines Freundes weiss. Ebenfalls ein alter Freund der beiden ist Amjad (Samer Bisharat): ein unauffälliger, schmächtiger Typ mit einem unvergleichlichen Schiesstalent.

nicht erwischen lassen....
nicht erwischen lassen.... © cineworx

Zusammen gehören die drei Freunde zu einer Art Freiheitsorganisation, die es auf das israelische Militär abgesehen hat. Als sie bei einem weiteren Anschlag auf einen Stützpunkt einen israelischen Soldaten erschiessen, wird Omar bald darauf festgenommen. Der ruhige und zielstrebige Agent Rami (Waleed Zuaiter) weiss von der Unschuld Omars, benötigt ihn aber als Spitzel, um an den tatverdächtigen Tarek zu gelangen. Raus aus dem Gefängnis ist er gezwungen, nicht nur seine Freundschaft und Liebe aufs Spiel setzen, sondern auch sein eigenes Leben.

Zweimal durfte sich der niederländisch-israelische Regisseur Hany Abu-Assad über eine Oscarnomination freuen. 2006 wurde sein dritter Spielfilm Paradise Now als erster palästinensischer Film für den Oscar nominiert. 8 Jahre später folgte seine zweite Nomination in der Sparte "bester fremdsprachiger Film" für das Thrillerdrama Omar. Bereits im vergangenen Jahr feierte der Film seine Premiere am Filmfestival in Cannes, wo er mit dem Sonderpreis der Jury in der Kategorie "Un Certain Regard" ausgezeichnet wurde. Mitte dieses Jahres ist es auch dem Schweizer Publikum gegönnt, das erschütternde und ebenso mitreissende Werk im Kino zu begutachten.

Omar ist eigentlich eine rührende Liebesgeschichte, die hinter Trennmauern, eingebunkert in einer Welt voller Ungerechtigkeit und mit kaum einer Chance auf eine Zukunft, wie ein heller Stern aufleuchtet und trotz allem Übels Hoffnung ausstrahlt. Das Leben als junger Palästinenser ist nicht leicht, was uns Abu-Assad in Form seiner Hauptfigur Omar von Beginn an brutal aufzeigt. Überall regiert das israelische Militär, jeder wird bewacht und jede falsche Entscheidung könnte mit dem Tod bestraft werden. Vor allem dann, wenn man wie Omar und seine besten Freunde Amjad und Tarek heimlich einer Freiheitsorganisation angehört. Im krassen Gegensatz zu diesen chaotischen Umständen steht nicht nur die Liebe zwischen Omar und der bildhübschen Nadja, sondern auch die Inszenierung und eine ehrliche und liebenswürdig ausgearbeitete Charakterzeichnung. Diese raffinierte Herangehensweise des Regisseurs ermöglicht es, dass die Wendungen, die zahlreich, aber nie konstruiert, in den Plot eingebaut wurden, auch wirklich nahegehen und dem Zuschauer den Atem rauben.

Ebenso unerwartet kommt auch die Action ins Spiel. Die rasant gefilmten Verfolgungsjagden über die Häuser der Stadt erinnern an den beliebten Parcours-Sport. Diese Szenen erscheinen fernab vom Blockbusterkino zwar etwas ungewöhnlich, sind aber derart fantastisch inszeniert, dass sich einige Actionvertreter eine Scheibe davon abschneiden könnten. Noch intensiver kümmerte sich der Regisseur aber um den Thrill in seiner Geschichte. Die Twists schmerzen wie Tiefschläge und liegen wie Steine auf dem Herzen. Die Entwicklungen der Geschehnisse und Omars Tour de Force zerren bis zum Abspann an den Nerven. Mit 96 Minuten ist Omar, in Anbetracht der emotionalen Härte, angenehm kurz geraten. Die sehr gut pointierte, abwechslungsreiche und gegen Ende bitterböse Story lässt aber kaum Verschnaufpausen zu. Einzig die Annäherungsversuche zwischen Nadja und Omar geben der Story etwas Raum und eine gewisse Unbeschwertheit. Doch am Ende und im Kampf ums Überleben hat auch die Liebe nur noch die zweite Geige zu spielen.

Fazit: Hany Abu-Assads Omar ist wunderbar atmosphärisch inszeniert, dicht bei den vorzüglich gezeichneten Figuren und bis zum Ende gleichermassen überraschend wie spannend. Ein sensationelles Cast, intensive Wendungen, dynamische Actionszenen und eine glaubhafte Romanze machen das Thrillerdrama zu einem der besten fremdsprachigen Filme der letzten Jahre.

Yannick Suter [yan]

Yannick arbeitet seit 2010 als Freelancer für OutNow. Sci-Fi-, Horror- und Mindfuck-Filme sind seine Favorites. Wenig anfangen kann er mit Kostümfilmen und allzu prätentiösen Arthouse-Produktionen. Wer aber etwas über äusserst verstörende Filme erfahren möchte, ist bei ihm an der richtigen Adresse.

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Trailer Originalversion, mit deutschen Untertitel, 01:51