Der 26-jährige Farid (Tewfik Jallab) lebt seit seiner Geburt in Frankreich, studiert dort und hat eine französische Freundin. In das Land seiner Vorfahren, Algerien, hat er nie einen Fuss gesetzt. Zumindest bis jetzt noch nicht. Das ändert sich schlagartig, als sein Vater die Nachricht bekommt, dass man das Familienanwesen im algerischen Hinterland abreissen und eine Strasse durch das Dorf bauen will. Da es sein Gesundheitszustand nicht zulässt, schickt der Vater Farid nach Nordafrika um sich der Angelegenheit anzunehmen.
Dort trifft er erstmals auf seine Verwandtschaft und schliesst die liebenswürdigen Algerier auch sofort in sein Herz. Besonders mit seinem Cousin (Jamel Debbouze) scheint er vom ersten Tag an eine besondere Freundschaft aufzubauen. Dieser ist jedoch weniger an Jamal, als an dessen französischem Pass und seinen Reisedokumente interessiert. Als eines Morgens sowohl Pass als auch Reisedokumente und Cousin verschwunden sind, beginnt für Farid eine Odyssee, die in einem Ausschaffungsgefängnis in Südfrankreich zu enden droht.
Die ersten Minuten von Né quelque part verheissen nichts Gutes und sehen verdächtig nach "Junger Mann sucht seine wahre Identität" aus. Doch das Schöne an Vorurteilen ist, dass sie widerlegt werden können. Und genau das passiert auch im vorliegenden Werk. Wer die ersten zehn Minuten über sich ergehen lässt, den erwartet im Anschluss ein emotionaler Film, der die Zuschauer zwischen schallendem Gelächter und schockiertem Schweigen alles erleben lässt. Beginnt die Reise des jungen Farid eher ungezwungen und leichtfüssig, entwickelt sie sich im Laufe der knapp 90 Minuten zu einer ernsten Geschichte, wie sie aktueller nicht sein könnte.
Die Macher von Né quelque part zeigen aber nicht nur beim Drehbuch ein grosses Geschick, auch die Wahl des Cast ist ihnen hervorragend gelungen. Mit Tewfik Jallab in der Rolle des Farid und Jamel Debbouze als sein Cousin konnten zwei versierte und bereits relativ bekannte Schauspieler engagiert werden, die ihren Rollen einen jeweils ganz individuellen Charme verleihen. Untermalt werden die schauspielerischen Leistungen durch intelligente und witzige Dialoge sowie eine authentische Kameraführung und hervorragende Aufnahmen, die während des ganzen Films eine einheitliche, in sich aufgehende Stimmung erzeugt, die das Publikum in die Welt von Farid eintauchen lässt.
Trotzdem gibt es einzelne Sequenzen, in denen die Klischees zu stark auf die Spitze getrieben und bis ins Lächerliche ausgemerzt werden. Diese Tatsache lässt den sonst steten Fluss des Filmes kurz stocken. Auch im zweiten Teil passieren einzelne dieser Stocker und holen damit das Publikum jeweils zurück in den Kinosaal.
Né quelque part ist witziges und tiefgründiges französisches Kino, das gleichzeitig zu unterhalten und zum Nachdenken anzuregen vermag. Das Thema ist topaktuell: Der Film schafft es, für einmal eine andere Perspektive einzunehmen. Gleichzeitig zeigt er das Schicksal der unzähligen Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa flüchten, ohne zu dramatisieren und mit dem Moralfinger auf jemanden zu zeigen.