Es ist Ende 2007, als Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl) zum ersten Mal auf Julian Assange (Benedict Cumberbatch) trifft. Die beiden Computerspezialisten haben sich schon seit längerer Zeit online ausgetauscht, doch erst an einer Messe an einem kalten Winterabend in Berlin treten sie sich persönlich gegenüber. Daniel ist begeistert von den Fertigkeiten Assanges und dessen Ziel, mit der Plattform Wikileaks anonyme geheime Informationen zu veröffentlichen, um politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Korruption und Verbrechen aufzuklären. So wird ihr erster Coup die Blossstellung der Schweizer Bank Julius Bär, welche über die Jahre ihren Kunden half, ihre Vermögen am Fiskus vorbeizubringen.
Doch damit ist noch lange nicht Schluss. Assange veröffentlicht eines Tages ein Video, auf dem amerikanische Truppen in Afghanistan auf unbewaffnete Zivilisten schiessen. Die US-Regierung wird daraufhin auf Wikileaks aufmerksam und versucht, deren Mitglieder unter Beobachtung zu stellen. Als der Plattform jedoch tausende Seiten US-Geheimdienstmaterial zugespielt werden, welche das Leben von verdeckten Ermittlern gefährden könnten, ist sich Daniel seiner Taten nicht mehr so sicher.
Julian Assange ist einer jener Menschen, welche in den letzten Jahren für grosses Aufsehen gesorgt haben. Der Australier erlangte 2010 Weltruhm - für die einen berechtigten, für die anderen zweifelhaften -, als er mehrere tausend Seiten US-Geheimdokumente, die er von einem Informanten bekommen hatte, auf seiner Webseite Wikileaks online stellte. Der Aufschrei war vor allem von amerikanischer Seite riesig und sorgte auch dafür, dass der Überwachung im Internet plötzlich grössere Beachtung geschenkt wurde. Assange befindet sich nun seit August 2012 aus Angst vor einer Auslieferung oder Ermordung in der ecuadorianischen Botschaft in London und meldet sich ab und zu mal wieder zu Wort. So auch im Januar 2013, wo er unter anderem die Gelegenheit ergriff, über das ihm vorgelegene Drehbuch zu The Fifth Estate seinen Unmut zu äussern. Geändert wurden nach der Beschwerde Assanges noch einige Passagen, doch das Hauptproblem des Filmes liegt hier nicht bei einzelnen Szenen, sondern in der Geschichte, die emotional kaltlässt.
Im Vorfeld der Veröffentlichung lobte Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch Assange für dessen Leistung, dank der die Menschen aus ihrem zombieartigen Zustand geweckt worden seien und gelernt hätten, selbst zu denken. Dies zeigt sich dann auch in der letzten Szene, in welcher Cumberbatch als Assange zum Zuschauer spricht und ihn auffordert, den gesamten Film nicht einfach so hinzunehmen, sondern selber herauszufinden, ob das wirklich so geschehen ist. Gewiss ein netter Schlusspunkt, doch wenn ein Werk schon selbst seinen Wahrheitsgehalt anzweifelt, dann hätten sich Regisseur Bill Condon und Co. der Spannung wegen doch etwas mehr Freiheiten erlauben dürfen. Denn The Fifth Estate packt nämlich nicht wirklich, woran vor allem die Hauptfigur Schuld trägt.
Basieren tut der Film nämlich unter anderem auf dem Buch «Inside Wikileaks: My Time with Julian Assange at the World's Most Dangerous Website» von Daniel Domscheit-Berg, einem ehemaligen Mitarbeiter der Whisteblower-Website. Domscheit-Berg dann als Protagonist ins Zentrum zu stellen, erweist sich aber als Fehler, da er schlicht zu uninteressant rüberkommt. Assange bleit derweil unnahbar und wirkt sogar noch eine Spur maschineller als Jesse Eisenbergs Mark Zuckerberg im nicht ganz unähnlichen The Social Network. Wo Fincher davonzieht, ist auf der emotionalen, der sprachlichen und der inszenatorischen Ebene. The Fifth Estate ist über alles gesehen zu kalt und auch etwas zu öde ausgefallen. So ist der Film lediglich interessant und eignet sich mehr als Anstoss, sich nochmals mit Assange auseinanderzusetzen. Etwas mehr Drive und Unterhaltungswert hätten dem Streifen jedoch nicht geschadet, denn so bleibt er recht trocken.
Fazit: The Fifth Estate schafft es nicht, die turbulente Geschichte von Assange und Wikileaks in einen unterhaltsamen Film zu packen, was angesichts der Möglichkeiten, die eine solche Story bieten würde, doch als Enttäuschung gewertet werden muss.
Chris Schelb [crs]
Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.