Texas, 1986: Der Elektriker Ron Woodroof (Matthew McConaughey) ist das, was man in seiner Heimat Texas einen richtigen Mann nennt: Er trinkt gerne, hängt mit seinen Jungs ab, schläft mit reihenweise Frauen und reitet ab und zu auch mal einen Bullen beim Rodeo. Als er eines Tages bei der Arbeit mal einen heftigen Stromstoss abbekommt, wacht er wenig später im Krankenhaus auf. Die Ärzte haben jedoch keine guten Nachrichten für ihn. Ron wurde positiv auf HIV getestet, und er hat jetzt noch etwa 30 Tage zu leben.
Doch Ron will nicht so einfach aufgeben. Er informiert sich genauer über seine Krankheit und sucht nach alternativen Heilmethoden. Er landet schliesslich in Mexiko, wo er mit Medikamenten behandelt wird, welche von der amerikanischen FDA (Food and Drug Administration) nicht genehmigt sind und die man deshalb in den USA nicht bekommen kann. Als er die Anzahl ihm noch prognostizierter restlicher Tage bei weitem überschreitet, lässt er sich den Kofferraum mit den wunderbaren Medis füllen und versucht diese in seiner Heimat an den Mann zu bringen. Doch es dauert nicht lange, bis die FDA auf Woodroofs Aktivitäten aufmerksam wird.
Schauspieler pushen sich selbst gerne für eine Rolle bis zum Äussersten. Robert DeNiro zum Beispiel transformierte sich in Raging Bull in den Boxer Jake LaMotta und nahm dafür ganze 31 Kilos zu. Doch auch das andere Extrem gibt es immer wieder zu beobachten. So nahm Christian Bale für The Machinist über einen längeren Zeitraum täglich nur noch einen Kaffee und einen Apfel zu sich, um in die Rolle eines unter Schlaflosigkeit leidenden Mannes zu schlüpfen. Bale gleich getan haben es Matthew McConaughey und Jared Leto, welche für das Drama Dallas Buyers Club 17 bzw. 14 Kilo abgenommen haben. Wenn sich Schauspieler so in eine Rolle reinsteigern, besteht aber immer die Gefahr, dass die darstellerischen Leistungen heller leuchten als die Geschichte und diese fast zur Nebensache wird. Zum Glück ist dies bei Dallas Buyers Club nicht der Fall.
Dabei fügt vor allem McConaughey ein weiteres Kapital seines zweiten schauspielerischen Frühlings hinzu. Der Sonnyboy aus Texas wird seit seinen Auftritten in Killer Joe und Mud nicht mehr belächelt, sondern als Schauspieler respektiert und sogar mit dem Oscar in Verbindung gebracht. Die Verkörperung des Ron Woodroof scheint ihn nun diesem Ziel näher zu bringen als je zuvor. Dabei profitiert er von einem wunderbaren Drehbuch, welches nicht wie andere Aids-Dramen wie Philadelphia versucht, so fest wie nur möglich auf die Tränendrüse zu drücken. Eine Szene verbildlicht dies sehr schön: Wir sehen, wie Woodroof betet, vor ihm flackern Lichter, wie sie in Kirchen anzutreffen sind. Doch nach Beendigung des Gebetes wird klar, dass wir uns nicht in heiligen Hallen befinden, sondern in einem Stripclub, und die vermeintlichen Kerzen sind in Wahrheit Neonlichter. Das Thema wird ernstgenommen, aber das Drehbuch von Craig Borten und Melisa Wallack ist immer mal wieder für solche politisch unkorrekten Lacher gut - auch wenn Woodrow mal wieder seine Pillen mit Alkohol einnimmt. Dies macht den Film von Jean-Marc Vallée letzten Endes auch ganz kurzweilig.
Während Woodroof vor allem als spitzbübischer Schmuggler mit losem Mundwerk dargestellt wird, brauchte der Film noch eine zusätzliche Figur, welche den Film auch immer wieder erdet. Diese Aufgabe fällt Jared Leto zu. Sein Transvestit Rayon ist so was wie das Herz der Geschichte und gleichzeitig auch ihre tragischste Figur. Leto, für den es der erste schauspielerische Auftritt seit vier Jahren ist, meistert seinen Part mit Bravour. Etwas schwach ist hingegen Jennifer Garner. «Mrs. Batman 2015» hat mit der Rolle der helfen wollenden, aber nicht könnenden Ärztin auch eine etwas undankbare Rolle erhalten. Wenn sie in einer Szene aus Verzweiflung mit einem Hammer Löcher in eine Wand haut, ist es mal für kurze Zeit um die Feinfühligkeit geschehen. Zum Glück findet Vallée schnell wieder den Rank.
Fazit: Dallas Buyers Club ist ein Aids-Drama, welches sein Thema ernst nimmt, aber immer wieder herrlichen Humor einzustreuen weiss. Getragen von den sensationell aufspielenden McConaughey und Leto wird die wahre Geschichte des Cowboys Woodroof aufgearbeitet, ohne die Zuschauer dabei zu sehr zu manipulieren. Yee-haw!
Chris Schelb [crs]
Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.