Blue Jasmine (2013)

Blue Jasmine (2013)

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  2. 98 Minuten

Filmkritik: 1 Broke Girl

Jetzt wo du es sagst: Ja, er hat mächtig zugelegt.
Jetzt wo du es sagst: Ja, er hat mächtig zugelegt. © Frenetic Films

Jasmine (Cate Blanchett) lebte in einem Traum: ein reicher, gutaussehender Ehemann (Alec Baldwin), keine Verantwortung und den ganzen Tag Faulenzen oder Shoppen. Doch nachdem ihr Mann wegen illegaler Geschäfte verhaftet wird, verliert sie alles. Ohne Ehemann und Geld nimmt sie von ihrem luxuriösen Leben in Manhattan Abschied und reist nach San Francisco, wo Schwester Ginger (Sally Hawkins) ihr auf die Beine helfen sollte.

Galadriel hat ein Alkoholproblem!
Galadriel hat ein Alkoholproblem! © Frenetic Films

Für die Upper-Class Lady Jasmine ist der Mittelstand ein Graus, und bereits bei ihrer Ankunft möchte sie am liebsten wieder abreisen. Schlecht gelaunt, stets alkoholisiert und mit den Nerven am Ende, versucht sie ihr Leben wieder in den Griff zu kriegen. Ihre Ziele klingen simpel: Sie möchte den Abschluss nachholen und ihr Geld selber verdienen. Doch Jasmines Vorstellungen von einer Arbeit sind etwas unangemessen, und sie scheint nicht fähig zu sein, der Realität ins Auge zu blicken. Stattdessen gibt sie weiterhin Geld aus, das sie nicht hat, meckert nur rum und baut gigantische Luftschlösser.

Alle Jahre wieder kommt ein Woody Allen-Film ins Kino. Auf den bald 78-jährigen New Yorker ist Verlass. Letztes Jahr ist er mit To Rome with Love zwar etwas untergegangen, dafür heimste er im Jahr zuvor einen Oscar für sein märchenhaftes Drehbuch zu Midnight in Paris ein. Es ist kaum zu glauben, aber der Stadtneurotiker braucht keine Pause und präsentiert auch ein Juwel mit Jahrgang 2013. Gleich vorneweg: Blue Jasmine ist Allens bestes Stück seit Match Point und strotzt nur so vor Zynismus, Dialogwitz und überspitzt geschriebener Gesellschaftskritik.

Während die letzten Filme des Altmeisters vollgepumpt waren mit Hollywoodgrössen, beschränkt er sich in Blue Jasmine auf ein übersichtliches Ensemble. Dies scheint sich auszuzahlen, denn die Performance von Cate Blanchett ist oscarwürdig, und die perfekt für ihre Rollen ausgesuchten Alec Baldwin, Sally Hawkins und Andrew Dice Clay geben ihren masslos überzeichneten Figuren ein wunderbar ironisches Profil. Immer wieder schön anzusehen ist der fiktive Zauber, der über Allens Geschichten hängt. Seine Story, die übrigens wieder einmal in den Staaten, genauer gesagt in San Francisco spielt, baut zwar auf einer realistischen und durchaus lebensnahen Tragödie auf, die doch hier und da ungewöhnlich ernste Züge annimmt; doch seine Erzählart und die Kunst, seine Figuren zu karikieren, ohne sie dabei zu verspotten, ist grosses Kino und verleiht einem das Gefühl, in einer Traumwelt mit alltäglichen Problemen zu schweben.

Das Ambiente, die Atmosphäre und die darin reizend aufgezogene Geschichte fungiert als Schauplatz für simpel charakterisierte, aber skurril agierende Gesichter, wie die am Boden zerstörte Lady Jasmine, die - von einer bestechenden Cate Blanchett gespielt - jede Entscheidung entgegen dem typischen Filmverlauf fällt und so zwar nicht zum Publikumsliebling mutiert, dafür aber mit ihren Aktionen allerlei Emotionen zulässt. Sally Hawkins als zerzaustes White Trash-Dummerchen Ginger ist zwar kein Blickfang, doch ihre Taten beruhen auf einer naiven Ehrlichkeit, die sie in ihrer zerbrechlichen Persönlichkeit dermassen herzallerliebst von sich gibt, dass man nur mit ihr fühlen kann. Alec Baldwins Darbietung als Businessman kennt man bereits aus seiner Erfolgsserie 30 Rock. Auch hier darf er demonstrieren, weshalb er als protziger, steifer und betrügerischer Anzugträger einfach die beste Figur macht. Alles in allem ist Woody Allen mit dem Cast eine meisterlicher Schachzug geglückt, der hoffentlich einige Preise abstauben wird.

Fazit: Blue Jasmine ist vielleicht Allens tiefster und ernstester Film und dennoch voller Magie und witziger Momente. Eine tragische Geschichte, wie sie das Leben schreibt, gibt der New Yorker in seiner gewohnt verspielten, theatralischen Art wieder. Ein wunderbares Drama, das von einem grossartigen Cast, allen voran Cate Blanchett, lebt. Eine Performance, die förmlich nach Auszeichnungen schreit und ein Werk, das Woody Allen wieder zurück an die Spitze führt. Bravo!

Yannick Suter [yan]

Yannick arbeitet seit 2010 als Freelancer für OutNow. Sci-Fi-, Horror- und Mindfuck-Filme sind seine Favorites. Wenig anfangen kann er mit Kostümfilmen und allzu prätentiösen Arthouse-Produktionen. Wer aber etwas über äusserst verstörende Filme erfahren möchte, ist bei ihm an der richtigen Adresse.

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