Paul (Paul Bartel) hatte nie Kontakt zu seinem Vater. Um so intensiver ist die Beziehung zu seiner Mutter (Beatrice Dalle). Zusammen mit ihr lebt der 15-Jährige in einer kleinen Pariser Wohnung. Die alleinerziehende Frau versucht ihrem Sohn die doppelte Liebe zu bieten. Doch die permanente Nähe beginnt den Jugendlichen zu erdrücken, und er ergreift vermehrt die Flucht.
Bei seinen Freunden in der Punkerszene glaubt er, ein neues Zuhause gefunden zu haben. Die Clique feiert die Nächte in Konzertkellern oder auf Privatpartys durch. Paul knüpft Freundschaften und lernt seine erste Freundin kennen. Doch in einer Welt voller Exzess, Rausch und Gleichgültigkeit findet er letzten Endes keinen Halt und nichts, das seine inneren Lücken füllen könnte.
Nach Überfliegen des Plots liegt der Gedanke nahe, dass Punk voller Drama, Teenage-Lovestory-Gesülze und zu offensichtlich sinnvoller Moral sei. Jugenddramen wie Dreizehn haben wohl so manchen die Lust auf Coming-of-Age-Streifen genommen und einige Vorurteile erschaffen. Umso schöner ist es, dass Regisseur Jean-Stéphane Sauvaire mit seinem zweiten Spielfilm auf diese Klischees mehrheitlich verzichtet.
Natürlich sind Drogen, Sex, Liebe und Identitätsfindung zentrale Themen, doch die Art und Weise der Darstellung ist kreativ und durchdacht. Sauvaires Konzept besteht wohl darin, mit jedem möglichen Mittel Emotionen herüberzubringen. Beispielsweise geht er zu diesem Zweck sehr experimentell mit der Kameraführung um. Die Bilder sind verwackelt, der Schnitt ist sprunghaft und für den Zuschauer fast anstrengend zu folgen. Dazu gibt's noch lauter Punkrock (von Bands wie The Addicts oder Pestpocken), und nach gut dreissig Minuten fühlt man sich selbst einem Rausch nahe.
Einen typischen Handlungsbogen gibt es nicht. Der Alltag von Hauptperson Paul ist in zerschnipselten Szenen dargestellt. Anfang und Ende sind offen, der Film ist eine Momentaufnahme seines Lebens, keine Geschichte. Hinter den Bildern steckt oft viel Symbolik, die nicht immer einfach zu verstehen ist. Der Dialog ist im Allgemeinen sehr karg gehalten, dafür liegt der Fokus auf Atmosphäre und Emotionen.
Schwermütig prasseln die Bilder und Eindrücke auf den Zuschauer ein, dem nichts anderes übrig bleibt, als dem tragischen Alltag des jungen Erwachsenen zu folgen. Lässt man sich auf das Experiment ein, ist Punk ergreifend und betäubend. Nach 90 Minuten folgt weder Erleuchtung noch Erleichterung, man bleibt benommen und etwas verloren zurück - keine leichte Kost und sicherlich kein Durchschnitts-Kino.
Wow, Vielen Dank für den Einblick! Das sit wirklich ein Punkkino was Leute wie mich anspricht. Wann kommt der Streifen raus bzw. wird in den deutschen Kinos gezeigt?