New York City: Wegen des Besuchs des Präsidenten der Vereinigten Staaten ist momentan nur ein schweres Durchkommen für Autos in der Metropole. Doch Eric Packer (Robert Pattinson) ist dies egal. Der 28-jährige Mann hat ein Vermögen an der Börse verdient und an diesem Tag nur eines im Sinn: sich die Haare schneiden zu lassen. Doch dies nicht etwa im nahegelegensten Salon, sondern bei seinem Lieblingscoiffeur am anderen Ende der Stadt. Deshalb geht es ab in die weisse Stretchlimousine, und die Reise kann beginnen.
Auf seinem Weg zu diesem wichtigen Termin steigen immer wieder Leute in sein Auto ein, darunter seine Geliebte Didi Fincher (Juliette Binoche) und sein Geschäftspartner Shiner (Jay Baruchel). Als die Limousine die Hälfte der Strecke zurückgelegt hat, erreicht Packer die Nachricht, dass jemand versuchen wird, ihn umzubringen. Wo und wann weiss man nicht. Doch Packer, dessen Business ausgerechnet an diesem Tag den Bach runtergeht, hat immer noch nur ein Ziel im Kopf: Er will zum Coiffeur.
Die Fans müssen es endlich akzeptieren: Die Filme von David Cronenberg im neuen Jahrtausend fallen weniger mit Bodyhorror auf, sondern mehr durch psychologische Ansätze. Am deutlichsten war dies im letztjährigen A Dangerous Method zu sehen, in dem die beiden Psychoanalysten Sigmund Freud und Carl Jung einen Streit hatten. Die enstandene Genre-Lücke wurde aber inzwischen von Cronenbergs Sohn Brandon (Antiviral) wieder gefüllt. Auch Cosmopolis, die Verfilmung von Don DeLillos Buch, ist trotz des schnell geschnittenem und Brutalität suggerierendem Trailers nicht die erhoffte Rückkehr des Herrn Papa zu Werken wie Naked Lunch und Videodrome. Hier wird wieder einmal fast die ganze Laufzeit mit Reden verbracht: reden über Geld, Sex, Kapitalismus, die Vergangenheit und die Zukunft. Dies ist aber schrecklich ziellos vorgetragen und so steif wie die Hauptfigur des Filmes.
Cosmopolis ist ein überkontrolliertes Werk. Cronenberg hatte während den Dreharbeiten die Zügel zu fest in der Hand, indem er den Darstellern einbläute, dass sie ja nichts an den Texten verändern dürfen. Dies, weil der Kanadier für sein Drehbuch alle Dialoge aus dem Buch einfach abgeschrieben hat und danach versuchte, diese filmisch zu verbinden. Hoffen wir, dass diese Methode nicht Schule macht, denn die Schauspieler passen sich so dem Erzählfluss an, der recht monoton ist und jegliche Highlights vermissen lässt. Alle, die auf Bodyhorror aus sind, können es derweil beim Trailer belassen. Viel mehr kommt im ganzen Film nicht hinzu.
Der Film ist aber ein Musterbeispiel für ein perfektes Casting. Tennieschwarm Robert Pattinson muss hier lediglich auf Edward-Autopilot stellen, da sein Eric Packer wie auch sein Twilight-Vampir eine Art Untoter ist. Bodyguard Kevin Durand wurde wegen seiner Grösse verpflichtet, Jay Baruchel wegen des Geek-Faktors, Juliette Binoche wegen ihrer erotischen Ausstrahlung und Paul Giamatti wegen seines leichten Hangs zum Overacting und weil er die verschupften Männer am besten spielt. Giamatti hinterlässt dann auch den besten Eindruck des ganzen Casts. Die letzten 20 Minuten reisst er komplett an sich und spielt Pattinson an die Wand. In dieser langen Szene ist dann auch so etwas wie der Herzschlag des Filmes auszumachen - etwas, das ansonsten schmerzlichst vermisst wird.
Fazit: Cosmopolis ist nicht der gross angekündigte "First Film about the New Century". Es gibt ein paar ernste Worte gegen das neue Jahrhundert, doch ansonsten quält man sich durch einen Film, dessen Faszination schon nach zehn Minuten verpufft ist. Danach lässt er den Zuschauer nur noch durch ein paar wenige eingeschobene Cronenberg-Momente und etwas Sex aufhorchen.
Chris Schelb [crs]
Chris arbeitet seit 2008 für OutNow und leitet die Redaktion seit 2011. Seit er als Kind in einen Kessel voller Videokassetten gefallen ist, schaut er sich mit viel Begeisterung alles Mögliche an, wobei es ihm die Filmfestivals in Cannes und Toronto besonders angetan haben.