Filmkritik: "Du rislisch!"
Der arrogante Benno (Fabian Krüger) hat es geschafft: Er ist erfolgreich als Briefmarkenhändler, hat eine Hammerblondine (Florine Deplazes) als Freundin und wohnt ganz toll. Wenn da nicht unter seiner Bleibe ein Café wäre, das von der Künstlerin Sandra (Irene Brügger alias Frölein Da Capo) geführt wird. Die übt des nachts Tuba für ihren noch ausstehenden Durchbruch im Musikbusiness und treibt Benno mit ihren geloopten Klängen in den Wahnsinn. Sandra taucht auch immer öfter in Bennos Träumen auf, nach denen sich in seinem Bett jeweils Sand ansammelt. Vorerst stören ihn die braunen Körnchen aber nicht.
Als der Sand aber auch tagsüber aus Bennos Ärmeln zu rieseln beginnt, wird er für ihn zur Plage. Beim Znacht mit der Freundin gelangt Sand in den Spaghetti-Teller. Und Bennos äusserst pingeliger Chef (Beat Schlatter), der schon bei einzelnen Staubkörnern eine Herzattacke kriegt, ist auch nicht erfreut über die Verschmutzung seines Philatelie-Fachgeschäfts. Zudem stellt sich heraus, dass der Sand sedativ wirkt. Wer immer daran riecht, fällt in den Tiefschlaf. Es bleibt Benno so nichts anderes übrig, als mit Sandra zusammen der Sache auf den Grund zu gehen. Denn seltsamerweise träumt sie jeweils vom selben malerischen Italien-Urlaub wie er.
Peter Luisi ist neben Michael Steiner der popcornfreundlichste Filmemacher der Schweiz. Dass es für Hollywood trotzdem noch nicht ganz reichte, zeigte der unausgegorene Love Made Easy, den er mit Melanie Winiger in Los Angeles gedreht hat. Die simpelste Prämisse, Mann trifft Frau, gleichzeitig die Wirbelsäule der meisten seiner Werke, weiss Luisi aber auch in der Tragikomödie Der Sandmann bestens zu einem erfreulichen Bijou zu erweitern. Er ist zudem ein begnadeter Taucher nach frischen Fischen im begrenzten Filmschauspielerpool Schweiz.
Zwar spielt Beat Schlatter in seinem Star-Cameo eine ähnliche Hinterzimmerfigur wie in Die Standesbeamtin. Burgtheater-Schauspieler Fabian Krüger ist als eitler Geck, der im Verlauf des Films richtiggehend versandet, aber eine Entdeckung. Irene Brügger variiert ihre aus "Giacobbo/Müller" bekannte Rolle als Frölein Da Capo nur minimal, macht aber eine gute Falle als wortkarges Huscheli. Nicht ohne ist auch Florine Deplazes mit ihren Modellmassen. Endlich eine schöne Frau mit Geltungsdrang im Schweizer Showbiz ohne Ex-Miss-Titel!
Luisi kann zudem auf eine spielerische Art mit dem Fantastischen umgehen. Denn für einen simplen Auffahrunfall reicht das Geld bei einer Schweizer Low-Budget-Produkton mal wieder nicht, weshalb er auch in Der Sandmann off-camera stattfnden muss. "Wie Sand am Meer" hat's hingegen Einfälle mit dem speziellen Specialeffekt Sand, der kubikmeterweise angekarrt werden musste für diesen Film. Obwohl die Ausgangslage des Film eigentlich ziemlich absurd ist, taucht man in die Geschichte ein und fragt seltener, warum etwas nun so ist, als wie zum Teufel sie das nur gemacht haben. Dazu kommt eine Musikalität des Regisseurs, die sich mit dem Talent von DaCapo bestens paart, und eine schlaue Botschaft für mehr Ehrlichkeit mit sich selbst und anderen.
Nicht alles ist perfekt. Der Beruf des Philatelisten will nicht so ganz zur Rolle von Benno passen. Ein Banker wäre da vielleicht besser gewesen. Nicht ganz geklärt ist, warum die Frauen Zimmer voller Sand betreten können, aber erst einschlafen, wenn sie den Sand direkt an die Nase gerieben bekommen. Die Zeit verinnt trotzdem wie im Flug in dieser märchenhaften Erzählung voller toller Einfälle. Ein Schweizer Film, der kein Luftschloss, sondern eine solide Sandburg voller witziger Fröhlichkeit ist.
Roland Meier [rm]
Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.
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