Der Sandmann (2011)

Der Sandmann (2011)

Ein Sommersandtraum
  1. , ,
  2. 88 Minuten

Filmkritik: "Du rislisch!"

Der arrogante Benno (Fabian Krüger) hat es geschafft: Er ist erfolgreich als Briefmarkenhändler, hat eine Hammerblondine (Florine Deplazes) als Freundin und wohnt ganz toll. Wenn da nicht unter seiner Bleibe ein Café wäre, das von der Künstlerin Sandra (Irene Brügger alias Frölein Da Capo) geführt wird. Die übt des nachts Tuba für ihren noch ausstehenden Durchbruch im Musikbusiness und treibt Benno mit ihren geloopten Klängen in den Wahnsinn. Sandra taucht auch immer öfter in Bennos Träumen auf, nach denen sich in seinem Bett jeweils Sand ansammelt. Vorerst stören ihn die braunen Körnchen aber nicht.

Als der Sand aber auch tagsüber aus Bennos Ärmeln zu rieseln beginnt, wird er für ihn zur Plage. Beim Znacht mit der Freundin gelangt Sand in den Spaghetti-Teller. Und Bennos äusserst pingeliger Chef (Beat Schlatter), der schon bei einzelnen Staubkörnern eine Herzattacke kriegt, ist auch nicht erfreut über die Verschmutzung seines Philatelie-Fachgeschäfts. Zudem stellt sich heraus, dass der Sand sedativ wirkt. Wer immer daran riecht, fällt in den Tiefschlaf. Es bleibt Benno so nichts anderes übrig, als mit Sandra zusammen der Sache auf den Grund zu gehen. Denn seltsamerweise träumt sie jeweils vom selben malerischen Italien-Urlaub wie er.

Peter Luisi ist neben Michael Steiner der popcornfreundlichste Filmemacher der Schweiz. Dass es für Hollywood trotzdem noch nicht ganz reichte, zeigte der unausgegorene Love Made Easy, den er mit Melanie Winiger in Los Angeles gedreht hat. Die simpelste Prämisse, Mann trifft Frau, gleichzeitig die Wirbelsäule der meisten seiner Werke, weiss Luisi aber auch in der Tragikomödie Der Sandmann bestens zu einem erfreulichen Bijou zu erweitern. Er ist zudem ein begnadeter Taucher nach frischen Fischen im begrenzten Filmschauspielerpool Schweiz.

Zwar spielt Beat Schlatter in seinem Star-Cameo eine ähnliche Hinterzimmerfigur wie in Die Standesbeamtin. Burgtheater-Schauspieler Fabian Krüger ist als eitler Geck, der im Verlauf des Films richtiggehend versandet, aber eine Entdeckung. Irene Brügger variiert ihre aus "Giacobbo/Müller" bekannte Rolle als Frölein Da Capo nur minimal, macht aber eine gute Falle als wortkarges Huscheli. Nicht ohne ist auch Florine Deplazes mit ihren Modellmassen. Endlich eine schöne Frau mit Geltungsdrang im Schweizer Showbiz ohne Ex-Miss-Titel!

Luisi kann zudem auf eine spielerische Art mit dem Fantastischen umgehen. Denn für einen simplen Auffahrunfall reicht das Geld bei einer Schweizer Low-Budget-Produkton mal wieder nicht, weshalb er auch in Der Sandmann off-camera stattfnden muss. "Wie Sand am Meer" hat's hingegen Einfälle mit dem speziellen Specialeffekt Sand, der kubikmeterweise angekarrt werden musste für diesen Film. Obwohl die Ausgangslage des Film eigentlich ziemlich absurd ist, taucht man in die Geschichte ein und fragt seltener, warum etwas nun so ist, als wie zum Teufel sie das nur gemacht haben. Dazu kommt eine Musikalität des Regisseurs, die sich mit dem Talent von DaCapo bestens paart, und eine schlaue Botschaft für mehr Ehrlichkeit mit sich selbst und anderen.

Nicht alles ist perfekt. Der Beruf des Philatelisten will nicht so ganz zur Rolle von Benno passen. Ein Banker wäre da vielleicht besser gewesen. Nicht ganz geklärt ist, warum die Frauen Zimmer voller Sand betreten können, aber erst einschlafen, wenn sie den Sand direkt an die Nase gerieben bekommen. Die Zeit verinnt trotzdem wie im Flug in dieser märchenhaften Erzählung voller toller Einfälle. Ein Schweizer Film, der kein Luftschloss, sondern eine solide Sandburg voller witziger Fröhlichkeit ist.

Roland Meier [rm]

Roland sammelt 3D-Blu-rays, weil da die Publikationen überschaubar stagnieren, und kämpft im Gegenzug des Öfteren mit der Grenze der Speicherkapazität für Aufnahmen bei Swisscom blue TV. 1200 Stunden Film und Fernsehen ständig griffbereit sind ihm einfach nicht genug.

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Kommentare Total: 4

psg

Was mir am Sandmann am besten gefallen hat, ist das bildliche, vieldeutige Leitmotiv des Sandes, der aus Benno rieselt. Was Peter Luisis Film uns damit wohl sagen will? Vielleicht das: Wenn wir uns nicht an moralische Werte halten, beginnt unsere Fassade Stück für Stück zu bröckeln. Oder: Die Natur - unterdrückt von unserem oberflächlichen Dasein - will hinaus. Sie findet ihren Weg. Und weil sie natürlich gut ist, hat Bennos Sand auch eine bezaubernde Wirkung.

Wäre nur der Film so tiefgründig wie sein Motiv! Stattdessen verliert sich die Geschichte immer wieder an der Oberfläche. Dort unterhält sie zwar immer noch und bietet - dank einigen wirklich gelungenen Dialogen und einem witzigen Cast - einige Lacher, berührt aber kaum. Schade, denn die Komödie blüht auf, wenn wir mit Benno mitleiden, wenn er versucht sein "Problem, das immer grösser wird" (wie Peter Luisi seinen Sand erklärt) zu verdrängen. Ein Versuch, der natürlich zum Scheitern verurteilt ist; Verdrängen bringt nichts.

Fineman

Für mich war "der Sandmann" ein Tiefschlag. Nach den begeisterten Rezensionen erwartete ich einen witzigen und poetischen Film. Doch ich fand ihn eher vulgär als witzig und poetisch nur im Ansatz. Die Idee des Rieselns ist sicher ein grandioser Einfall, doch die Durchführung bleibt fast alles schuldig. Die Verwirrung zwischen Traum und Wirklichkeit ist kaum zu durchschauen, und die Auflösung ist entweder banal (Seid mal nett zueinander), oder vielleicht habe ich sie nicht verstanden. Die Bilder in der schmuddeligen Beiz und in der altertümlichen Wohnung haben etwas Beklemmendes, und die Sprache ist über weite Strecken unerträglich (Fi... dich, du A...). Mein Fazit: eine grosse Enttäuschung, nach ca. 45 Min. begann ich das Ende des Filmes herbeizusehnen, wann ist die Qual endlich zu Ende.

El Chupanebrey

Hmmmmm... ich weiss noch nicht so recht, was ich von Der Sandmann halten soll.

Auf der einen Seite steht die wirklich gute Grundidee, die in der Schweizer Filmhistorie wohl ihresgleichen sucht. Doch Irene Brüggers Kommentar, sie habe beim Lesen des Drehbuchs mehrfach innehalten und "Mann, ist das absurd" sagen müssen, scheint mir nun doch etwas gar übertrieben. Das Szenario ist angenehm abseitig, ja, aber wenn das schon zuviel für den durchschnittlichen CH-Kinogänger ist, dann wird mir nur wieder einmal bewusst, in was für einem filmischen Bünzli-Land wir doch eigentlich leben. No offense...😉
Dennoch: Luisi holt mit seiner bekannt lockeren und spielerischen Art viele Lacher aus der Idee und geht gut damit um, wenn vielleicht auch etwas zu zurückhaltend.

Andererseits jedoch kann Luisi auch hier nicht ganz an Verflixt verliebt anknüpfen. Am Drehbuch liegts nicht, das ist mehrheitlich in Ordnung. Schräge Charaktere inklusive (z.B. Maurice Moss... äh, ich meine Walter im Briefmarkenladen). Es sind eher die Schauspieler, die enttäuschen - wie in Love Made Easy. Vor allem am Anfang ist Fabian Krüger eine ziemliche Schlaftablette (bessert sich nach und nach aber) und Beat Schlatter betreibt grenzwertiges Overacting. Irene Brügger ist die beste Darstellerin, weshalb es umso bedauerlicher ist, dass sie ihre Frölein-da-Capo-Nummer abziehen musste, die, seien wir ehrlich, jetzt nicht so der Hammer ist. Das Ganze wirkt teilweise fast wie eine Werbung für ihre Bühnenshow.

Doch allen Kritikpunkten zum Trotze ist Der Sandmann ein durchaus amüsantes und, für Schweizer Verhältnisse, unübliches Stück Film. Keine Konkurrenz für Verflixt verliebt, aber immer noch besser als Love Made Easy - ein Mix aus den guten Seiten des ersten sowie den weniger guten des zweiten.

3.5

[Editiert von El Chupanebrey am 2011-08-26 23:59:40]

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Trailer Schweizerdeutsch, 01:43