Day Is Done (2011)

Day Is Done (2011)

  1. 111 Minuten

Filmkritik: Hinterhofbetrachtungen im Zeitraffer

Sujet für die Tourismus-Broschüre?
Sujet für die Tourismus-Broschüre? © Studio / Producer

Zürich im Winter und im Sommer, bei Regen, Schnee, Wind oder bei Sonnenschein. Bei Tag und bei Nacht. Rauchende Schlote und ratternde Züge. Flugzeuge und brennende Autos. Marschmusikanten und sonstige Blickfänge. Alles eingefangen von einem Mann hinter der Kamera, hoch oben aus seinem Atelier mit Blick aus dem Fenster.

Voyeurismus im Hinterhof
Voyeurismus im Hinterhof © Studio / Producer

Dazwischen sind Stimmen hörbar, abgespielt von einem Anrufbeantworter. Monologe, die von alltäglichen Dingen sprechen, dem Mann zum Geburtstag oder zum beruflichen Erfolg gratulieren. Sein Vater stirbt, er bekommt einen Sohn, die Familie bricht langsam auseinander.

Über die Jahre hinweg verändert sich vieles vor dem Fenster. Einiges bleibt gleich. Wolkenkratzer werden im Eiltempo gebaut, die Abfallentsorgung weicht einer Kunstausstellung. Die Frau holt immer noch ihre Post. Wie Mosaiksteine setzen sich diese scheinbaren Momentaufnahmen zusammen und ergeben langsam ein autobiographisches Bild des Mannes hinter der Kamera.

Day is Done, der neueste Film des Luzerners Thomas Imbach (I was a Swiss Banker), kann am besten als experimentelle Dokumentation beschrieben werden, in welcher ein Blick in das Leben seines filmischen Alter Egos geworfen wird. Dabei beschränkt sich der Erzählstil des Filmemachers auf die Kombination von Filmaufnahmen, die er zwischen 1995 und 2010 aus seinem Atelier heraus gedreht hat, und abgespielten Nachrichten seines Anrufbeantworters, welche der Zuschauer auf der Tonspur zu hören bekommt. Tönt visuell eintönig und sperrig? Ist es auch!

Doch - und das ist die grosse Überraschung - wird der Film lebendiger und damit interessanter, je länger er dauert. Fragt sich der Zuschauer zu Beginn noch, wie dieses Konzept über eine Laufzeit von beinahe zwei Stunden funktionieren kann, ergibt das Filmmosaik immer mehr einen Sinn und der Zuschauer beginnt, sich für den imaginären und nur selten durch Schatten erkennbaren Filmemacher hinter der Kamera zu interessieren.

So zeichnen die Meldungen ein immer persönlicheres und nicht immer schmeichelhaftes Bild des Regisseurs, welcher scheinbar den Telefonhörer nie abnimmt. Diese Aufnahmen lässt Imbach kommentarlos abspielen, wodurch die zu Beginn fremden Stimmen an Profil gewinnen und als Informations- und Identifikationslieferanten dienen. Langsam beginnt sich ein roter Faden durch die Gespräche abzuzeichnen.

Imbach legt diese Telefonbeantworter-Ausschnitte, welche übrigens zwischen 1988 und 2003 aufgenommen wurden, geschickt über die durch Zeitraffer, Zoom oder leichten Verwackelungen geprägten Bilder von Vorgängen vor seinem Fenster. Voyeuristisch wie James Stewart in Rear Window beobachtet Imbach die an seinem Atelier vorbeigehenden Personen und Vorgänge, wobei es eine Frau ihm besonders angetan hat. Zusätzlich überträgt ein gelungener Soundtrack (unter anderem einige Lieder von Bob Dylan) die Gefühlswelt des Regisseurs auf die Szenerie.

Alle diese Faktoren ergeben ein herausforderndes, oft auch geistig ermüdendes Filmpuzzle, dessen Reiz jedoch in der unkonventionellen autobiographischen Herangehensweise des Regisseurs liegt, welcher seine persönliche Entwicklung mit jener seines städtischen Umfelds verknüpft.

/ hut

Trailer Schweizerdeutsch, mit englischen Untertitel, 2:00 © Okofilm Productions